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Der Friedenskämpfer

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Das Kleine Theater auf dem Parkring in Wien hat sich seit seiner Gründung vor eineinhalb Jahren schnell in den Vordergrund gespielt. In den Vordergrund von Wiens Kleinbühnen, versteht sich; wohin soll der Ehrgeiz ein tapferes Studententheater sonst noch treiben? In die Weltpolitik? Fast scheint es so — zumindest in eine eigene Art Welttheater führt es sich nun selber ein, an Hand einer nicht alltäglichen Geschichte. Seit Jahr und Tag bemüht es sich um eine Aufführung der „Schmutzigen Hände“ von Sartre. Ein schwieriges Stück, ver-. langt es doch eine Spitzenbegabung für die Hauptrolle. Diese hat sich nun auch gefunden. Ende gut, alles gut.

Nein, kein Ende. Ein Versuch des Volkstheaters, das Stück zu kreiieren, war seinerzeit an der Anteilnahme einer Besatzungsmacht gescheitert. Die Bemühung des Theaters auf dem Parkring scheint nun an der Anteilnahme des Autors zu scheitern. Trotz verzweifelter Anstrengungen war es zuletzt recht still um Sartre geworden. Der „Wiener Völkerkongreß für den Frieden" im Dezember dieses Jahres soH Sartre ein neues Forum für seine Enuntiationen bieten. Niemand wird ihn hindern, hier zu reden. O, doch! Sartre IV oder Sartre V, wenn wir so seine Zeit-Erscheinungen pennen wollen, droht über

Sartre II zu stolpern. Sartre II, der echte erste Nachkriegs-Sartre, schrieb nämlich, zu Lob und Erbauung und Tantiemengenuß der Westwelt, seine „Schmutzigen Hände", die denn auch, mit gutem Kassenerfolg, in New York, London, Paris, Brüssel usw., aufgeführt wurden. Vor Jahren... Warum also jetzt nicht in Wien? In diesem Stück ist weder von dem sowjetischen Imperium die Rede noch von der Kommunistischen Partei. Also, warum dann nicht aufgeführt, in der Zeit des „Wiener Völkerkongresses für den Frieden"? — Das Stück behandelt die erbitterten inneren Kämpfe um die Macht in irgendeiner totalitären Partei irgendeines balkanesischen Staates. Und zeigt, daß es im Schoß dieser Welt von Nur-Partei-Menschen keinen Frieden gibt; hier herrscht Krieg, ewiger Krieg. Vielleicht hat diese Tatsache (seines Stücks) Herrn Johannes Paul Sartre zu der losen, durchaus abwegigen und abzulehnenden Ideenassoziation verführt: was mögen die Friedenskämpfer, so aus aller Welt nach Wien zusammenströmen und in dieses kleine Theater geraten, von ihrem großen Theater denken? Der Mitverantwortliche für den Frieden der Welt, Herr Johannes Paul Sartre, zieht die Stirne kraus: bin ich, wenn ich diese Aufführung dulde, nicht mitschuldig an den Untaten der Kriegsverbrecher?

Also dachte er, und ließ, durch seine

Sekretärin, über Zürich, an Wien (das kleine Wien, am Parkring) die Weisung ergehen: „Ich verbiete die Aufführung der ,Schmutzigen Hände . Jean Paul Sartre." Johannes Paul Sartre ...

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