6723165-1965_20_13.jpg
Digital In Arbeit

Die junge Revolution

19451960198020002020

NEID. Von Jurij Olescha. Suhrkamp-Verlag, Prankfurt am Main, 1964 (Band 187 der Bibliothek Suhrkamp). 164 Seiten. Preis 5.60 DM.

19451960198020002020

NEID. Von Jurij Olescha. Suhrkamp-Verlag, Prankfurt am Main, 1964 (Band 187 der Bibliothek Suhrkamp). 164 Seiten. Preis 5.60 DM.

Werbung
Werbung
Werbung

Ein Roman der jungen sowjetischen Revolution, 1927 in erster Auflage erschienen. Prahlerisch wird die eben angebrochene, leuchtkräftige Zukunft der schattenreichen, absterbenden Vergangenheit kontrastiert. Großsprecherisch werden die Helden der Arbeit den lumpenhaften Grüblern und Tagedieben vorangestellt. Simplifikationen, ja Bauernfängereien ohne Ende. Seltsam, wie ehrlicher Uberschwang, sei's in der Fabulierfreude, sei's in der schönfärberischen Geschichte, die Peinlichkeiten trotz allem neutralisiert und für das Unglaubwürdige den Leser freundlich stimmt. Olescha erzählt zugleich umständlich und lebhaft. Rückblenden, wiederholte Anläufe aus verschiedenen Richtungen machen die einfache Handlung so kunterbunt wie abwechslungsreich, Abschweifungen und Fehlgriffe verwirren sie wieder beträchtlich. Zudem liebt der Autor das weite Ausgreifen, bricht jedoch bedenkenlos ab, wenn sein Ausholen nichts Nennenswertes einbringt, und greift einen anderen hingewürfelten Brocken auf. Dergestalt gewinnt er an Knappheit, was an Klarheit verlorengeht.

Abstrus die Schilderung, plan das Geschehen. Babitschew, Direktor beim t*bensmitteltrust, feist und ungeschlacht, quartiert den Herumtreiber Kawalerow, den er von der Straße aufliest, bei sich ein. Kawalerow, anfänglich benommen von der Tatkraft seines . Gönners, schwankt geraume Zeit zwischen Reform und Rückfall, sackt aber dann ab. Er neidet dem Vertreter der neuen Zeit seine Erfolge, da ihm nichts gelingen will — er strengt sich allerdings nicht im mindesten an. Der Bruder Babitschews, heruntergekommener Vertreter der alten Zeit, gewinnt Einfluß auf Kawalerow, es kommt zum Bruch zwischen dem Funktionär und seinem „Hofnarren“. Makarow, kraftstrotzender Held der jungen Generation, nimmt Kawalerows Platz ein, gewinnt außerdem die reizende Tochter des mißratenen Babitschew. Kawalerow tröstet sich bei Schnaps und einer fetten alten Witwe. Die Dienstmädchenpoesie wird vermischt mit lehrhafter Parabel.

Fehlt es an erzählerischer Wahrhaftigkeit, unerschöpfliche Einfälle,überraschende Wendungen, sprunghafte Übertreibungen entschädigen. Die Handlung lebt von schlagenden Kontrasten. Der Grundton des Romans hingegen ist versöhnlich, die Stimmung freundlich bis rosarot. Der angehäufte Reichtum an Schilderungen und Dialogen hat billigen Glanz zwar, doch gleißt er nicht falsch. Olescha erfrischt durch die Unbefangenheit seiner Erfindungen viel mehr, als er durch den ausgetretenen Inhalt langweilt. Die öde Programmatik wird von den liebevoll ausgeführten Einzelheiten überwogen, die verschwenderischen Ausschmückungen erhellen die düstere Dürftigkeit des Schemas.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung