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Faux-Päs(s)-Kontrolle

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Jeder, der nach Österreich ein- und von hier nicht so schnell wieder ausreisen will, muß sich, gleich nach dem Uberschreiten unserer immer dichter werdenden imaginären Grenzen, einer Faux-Pas(s)-Kontrolle unterziehen: Er (fallweise auch sie) muß einwandfrei nachweisen, daß er (beziehungsweise sie) österreichisch-elegant von einem Fettnäpfchen ins andere, ohne dabei nachträglichen Schaden zu erleiden, treten kann.

An der Faux-Pas(s)-Kontrolle müssen die Einreisenden folgende alpenrepublikanischen Merkmale kennen und, im Gegensatz zu sich selbst, diese auch beherrschen:

■ Der häufigste böhmische Fehler der Urwiener – sie fühlen sich „o. k.“ und sind dabei „k. o.“ – darf niemanden überraschen.

■ Die Selbstkritik des „rastlosen Faulenzers“ darf nicht besonders ernstgenommen werden.

■ Es darf niemanden irritieren, daß Wien eben anders ist: Das einzige, was die Wiener Kommunalpolitik überdacht hat, ist der Wienfluß.

Das einzige, was die Wiener Kommunalpolitik überdacht hat, ist der Wienfluß.

■ Österreichs Haupttugend ist nestroyisch („Die Resignation ist die edelste unter allen Nationen“).

■ „Neid-und-Neigier“ als die Hauptbeziehungsschienen gelernter Wiener verursachen hierzulande keine Entgleisungen.

Wer sich mit den weit außerhalb unserer Grenzen bekannten Fettnäpfchen nicht begnügt, der kann auch in die EU (bei)treten. Manche Politiker praktizieren beides.

Wir – geborene und gelernte Österreicher – streben im Zuge der allgemeinen Verwaltungsvereinfachung auch eine beschleunigte Faux-Pas(s)-Kontrolle an. Um trotzdem der drohenden Umvolkung rechtzeitig entgegenzutreten, werden im Landesinneren und in Landesinnereien (vorwiegend dort, wo das goldene Wiener Herz zum harten Metall erstarrt) weitere Kontrollen durchgeführt. So auch am Anfang der Mariahilferstraße:

Nachdem ein unruhiger Babenberger nervös hin- und Herzog, wurde er – zur Beruhigung – geadelt und mit der Wacht der Mariahilferstraße vor magyarischen Computer-Raubrittern beauftragt.

In diesem, unserem Land hat niemand etwas gegen Ausländer. Auch die 2000prozentigen Österreicher, also die ehemaligen Ungarn und Böhmen, haben nicht das Geringste dagegen, wenn ihr Schmutz und Schund – vor allem der erstere – von Südslawen und Nordtürken weggeputzt wird. Unsere Ausländerfreundichkeit ist nicht nur ein-, sondern auch mehrdeutig und so brauchen wir auch den Ausländerzuwachs – hauptsächlich für die Reinigung unserer Fußböden.

Allerdings: Die schärfste Faux-Pas(s)-Kontrolle erfolgt an der Grenze des guten Geschmacks, über den man – bekanntlich – nicht diskutieren kann. Aber wer will schon über unsere Faux-Pas‘ streiten?

Ich! – Und wie wäre es mit Ihnen?

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