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Daniel Wissers "Roman in 45 Strophen": Dopplergasse Acht.

Daniel Wisser, Begründer des "Ersten Wiener Heimorgelorchesters" und Herausgeber der Literaturzeitschrift "Der Pudel", hat mit "Dopplergasse Acht" seinen ersten Roman - und zwar "in 45 Strophen" - vorgelegt. Die Gattungsbezeichnung ist bewusst irreführend und wer Daniel Wisser kennt, erwartet sich alles andere als einen Roman im herkömmlichen, ohnehin schon sehr erweiterten Sinn. Vielmehr steht "Dopplergasse Acht" durchaus in der Tradition des "Pudel", der einzigen Simmeringer Literaturzeitschrift für methodische Dichtung.

Auf den ersten Blick mag "Dopplergasse Acht" als leicht hingeworfener poetischer Scherz erscheinen und tatsächlich ist der (sprach)spielerische Charakter, der gelegentlich auch ins Infantile kippt, augenfällig. Die häufigste Wendung ist etwa der schon etwas angegraute Kinderspruch "fut arsch nudel kirchschläger rudl", den der Erzähler in koprolalischer Manier immer wieder einflicht. Bei sorgfältiger Lektüre offenbart sich aber auch subtilere Hintergründigkeit, über die man leicht hinweglesen kann.

Von Hitchcock inspiriert

Der "Plot" leitet sich unverkennbar von Hitchcocks Meisterwerk "Rear Window" her, das ja nicht nur ein Suspense-Klassiker ist, sondern auch ein Film über das Filmemachen selbst - auch "Dopplergasse Acht" kann als Buch über das Bücherschreiben gelesen werden. Der namenlose Ich-Erzähler, der mit Daniel Wisser biografische Fakten sowie die Wohnadresse gemein hat, ist ein Voyeur. Er konstruiert seine Geschichten aus Beobachtungen der "Adventkalenderfassade" des vis-à-vis gelegenen Hauses und seiner Bewohner: Mezzaninbräute und ihre Mopedritter, parkplatzbeobachtende Klingonen, polygame Katzenkorbfrauen und Dichter Z., der sich verzweifelt bemüht, aus dem "Zauberberg" in anagrammatischem Verfahren einen neuen Roman entstehen zu lassen, was nicht zuletzt daran scheitert, dass er bereits im ersten Kapitel alle "ü" verbraucht. Doch die interessanteste Bewohnerin ist Ingrid, zu der der Erzähler in keuscher beobachtender Liebe entbrannt ist, besitzt sie doch die für ihn bei Frauen wichtigste Eigenschaft: viele "i" im Namen. Als Ingrid von ihrer Rotkäppchentour zum Hernalser Tantchen heimkehrt und zufällig gemeinsam mit dem sehr verdächtig aussehenden Volvomann (Wolf?) das Haus betritt, daraufhin aber nicht wie gewohnt an ihrem Fenster erscheint, wähnt der Erzähler ein schreckliches Verbrechen.

Aus dieser Ausgangssituation entwickelt Daniel Wisser eine nur wenige Blocks umfassende mikrokosmische Simmeringer Topografie und es werden Parallelen zum "berühmten simmeringer bürstenbindermord" im Jahr 1932 gezogen. Besonderheiten in der Straßennummerierung geben Anlass zu Betrachtungen über schicksalshafte Verwobenheiten, "denn wie oft kommt es denn schon vor / dass man einen menschen lieben lernt / weil eine gasse in einer stadt verkehrt numeriert ist / und einer der beiden in seiner jugend / eine schwäche in mathematik gehabt hat", wobei diese Mathematikschwäche Nachhilfestunden bei Trixi (viele "i") zur Folge hatte, diese Nachhilfe wiederum erste eigene lyrische Gehversuche bewirkte. Solche Einschübe werden durchaus kunstvoll in die Ingridgeschichte rückgeführt, diese technischen Raffinessen dabei vom Erzähler auch ausführlich kommentiert, und schließlich geschieht das, was diesen anfangs so schrecklichen "tag im mai" zu einem wunderschönen macht ...

Fazit: Wer Lust auf "poetische Außergewöhnlichkeiten" (© Martin Amanshauser) hat, dem sei dieser dopplergässler Roman durchaus ans Herz gelegt.

Dopplergasse Acht

Roman in 45 Strophen

Von Daniel Wisser

Ritter Verlag, Klagenfurt-Wien 2003

96 Seiten, brosch., e 13,90

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