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Historiker Arne Karsten beweist gute Sachkenntnis und schriftstellerisches Talent.

Wer kennt nicht den spektakulären 28 Meter hohen Bronzebaldachin über dem Hauptalter des Petersdoms? Oder die funktional sinnlosen, aber beeindruckenden Kolonnaden auf dem Petersplatz, eine Investition, die den Kirchenstaat in eine dramatische Schuldenfalle trieb? Oder den Vier-Ströme-Brunnen auf der Piazza Navona (Donau, Rio della Plata, Nil, Ganges), über dem sich ein Obelisk wie aus dem Nichts erhebt: Symbol päpstlicher Herrschaft, der der ganze Erdball huldigt - und das zu einem Zeitpunkt, als diese Herrschaft politisch bereits der Bedeutungslosigkeit entgegensteuerte: Schöpfungen des Gianlorenzo Bernini (geb. 1598 in Neapel, gest. 1680 in Rom). Er herrschte 60 Jahre fast unangefochten über die Großbaustelle Rom, indem er fünf Päpsten ihre Selbstdarstellungswünsche in Form von Kirchen, Grabdenkmälern, Brunnen und Repräsentationsräumen erfüllte, und auch den mit jedem neuen Papst neu an die Macht kommenden geistlichen und weltlichen Papstbrüdern und Neffen: Jeder Papstneffe wollte eine Büste von Berninis Hand. Bernini, zu Lebzeiten als Michelangelo des 17. Jahrhunderts gefeiert, übertraf diesen nicht an Genie, wohl aber an Vielseitigkeit: Er brillierte als Bildhauer, Architekt und Maler, Dichter, Theater-Regisseur und erster bekannter Karikaturist der Kunstgeschichte.

Kleinkrimis

Der Historiker Arne Karsten nennt sein neues Buch "Bernini. Der Schöpfer des barocken Rom": Eine Untertreibung, denn es ist mehr als eine Biografie des berühmtesten Künstlers seiner Epoche. Temperamentvoll und glänzend schreibend, reiht Arne Kasten Kleinkrimis aneinander; zunächst über Berninis allerhöchste Auftraggeber, die Päpste Urban VIII., Innozenz X., Alexander VII., Clemens IX., Innozenz XI. Jedem Konklave zitterte der egomanische Künstler entgegen: Würde ein Kunstsinniger oder ein Banause auf den Stuhl Petri gewählt werden? Krimi-Elemente finden sich auch in Berninis Kämpfen gegen Konkurrenten, die er skrupellos von Großaufträgen fernhielt, während er sie gleichzeitig für seine Arbeit benutzte, etwa den vorzüglichen Architekten Borromini. Nach jahrelanger Ausbeutung durch Bernini beging Borromini Selbstmord. Meisterlich verstand es der bürgerliche Bernini, mit seinem sprühenden Witz Adelige für sich einzunehmen, so etwa Königin Christina von Schweden. Die zum Katholizismus übergetretene "majestätische Trophäe im Glaubenskrieg" entwickelte sich in Rom zur "personifizierten Extrawurst", deren Konversion Papst Alexander VII. wohl insgeheim verflucht hat. Bernini verstand sich exzellent mit der Ex-Monarchin. Sie war es, die nach seinem Tod im Jahr 1680 die Anregung zur ersten Lebensbeschreibung Berninis gab.

Griffige Formulierungen

Warum ist dieses Buch so gar nicht trocken, so amüsant? Der Wissenschaftler besitzt ein schriftstellerisches Talent für griffige, ja blitzende Formulierungen. Er gebietet durch seine Sachkenntnis souverän über das gewaltige historische und kunstgeschichtliche Material, hat er doch jahrelang im Rahmen des Forschungsprojekts "REQUIEM" die römischen Papst-und Kardinalsgräber der frühen Neuzeit studiert. Er öffnet die Augen für die politische, nicht nur die künstlerische Aussage jeder Bernini-Skulptur. Er macht aus dem Schicksal des zu Lebzeiten Gefeierten und Hofierten ein barockes Lehrstück - sic transit gloria mundi -, indem er nach den Ursachen für das rasche Verblassen seines Ruhms sucht. Im 19. Jahrhundert tat der protestantische Schweizer Kunsthistoriker Jacob Burckhardt den Meister der dramatischen Überhöhung als Produzenten von Edelkitsch ab. Schließlich füllt Arne Karsten das Wort "Nepotismus" mit prallem Leben. Ungebremste Vetternwirtschaft führte den Kirchenstaat fast in den Ruin, den erst der Reformpapst Innozenz XI. (1676-1689) durch strenge Sparmaßnahmen abwenden konnte. Doch da war Berninis unermüdlicher rechter Arm durch einen Schlaganfall gelähmt. Er ließ sich am Fußende seines Bettes einen Altar aufbauen und konversierte mit Jesuiten ...

BERNINI

Der Schöpfer des barocken Rom

Leben und Werk

Von Arne Karsten

C. H. Beck, München, 2006

271 Seiten, geb., e 25,60

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