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Yasmina Khadras schwarzer Roman führt in die Zeit vor dem algerischen Bürgerkrieg.

Freunden von Kriminalromanen, denen Commissario Brunetti und Donna Leon zu lahm sind, sei Kommissar Brahim Llob von Yasmina Khadra ans Herz gelegt. Dieser algerische Polizeibeamte und ehemalige Freiheitskämpfer verfügt nicht nur über ein gesteigertes Aggressionspotenzial und wird leicht handgreiflich, er ist auch verbal äußerst schlagfertig und derbe Ausdrücke sind für ihn keineswegs Fremdwörter.Vor allem aber zeichnet ihn, sehr zum Missfallen seiner Vorgesetzten, seine an Starrsinn grenzende Unbestechlichkeit aus.

In "Die Nacht über Algier" lässt der algerische Autor Yasmina Khadra seine Hauptfigur Brahim Llob - der das Ende der Trilogie "Morituri" (1999), "Doppelweiß" (2000) und "Herbst der Chimären" (2001) nicht überlebt hatte - wieder auferstehen. Allerdings vor der Trilogie, die in der Zeit des islamistischen Terrors in den 90er Jahren spielt: Die Romanhandlung ist im Jahr 1988 angesetzt, kurz bevor Unruhen im ganzen Land einen politischen und wirtschaftlichen Reformprozess in Algerien auslösten, der in einem der blutigsten Bürgerkriege mündete, den der Mittelmeerraum je erlebt hat.

In diesen düsteren Zeiten verliebt sich Llobs junger Assistent Lino ausgerechnet in die Mätresse Haj Tobanes, einem der einflussreichsten Männer des Landes. Als der Chauffeur des Oberbonzen bei einem Attentat mit Linos Dienstwaffe erschossen wird, nimmt man den jungen Polizisten, der zur Tatzeit stockbesoffen war und kein Alibi aufzuweisen hat, fest und verfrachtet ihn in eines der für Folter berüchtigten Gefängnisse. Von seiner Unschuld überzeugt stürzt sich Kommissar Llob in private Ermittlungen. Mit seinen Nachforschungen rührt der Kommissar an alten, kaum verheilten Wunden, denn die Spur führt ihn in die Zeit unmittelbar nach dem Unabhängigkeitskrieg, als das Land im Chaos versank, Strafexpeditionen gegen die Harkis - also jene, die mit Frankreich kollaboriert hatten - in Massakern mündeten und so mancher sich auf Kosten der Existenz von anderen einen persönlichen Vorteil verschaffte.

Yasmina Khadra - hinter dem weiblichen Pseudonym steckt ein ehemaliger Offizier der algerischen Armee, der erst nach seiner Emigration nach Frankreich 2001 seine wahre Identität preisgeben konnte - gilt nicht umsonst als Erneuerer des "roman noir": Mit bissigem Humor zeichnet der Autor ein schonungsloses aber zugleich einfühlendes Porträt Algeriens auf der Schwelle zum Bürgerkrieg: Korrumpierte Eliten, die sich wie Halbgötter gebärden, denken nur daran, sich noch weiter zu bereichern, während die Bevölkerung immer tiefer im Elend versinkt. Nach 130 Jahren Kolonialzeit, einem blutigen Befreiungskrieg und 25 Jahren Diktatur des FLN steht das Land Ende der 80er Jahre am Abgrund: "Es scheint," so verleiht Kommissar Llob der im Roman vorherrschenden düsteren Stimmung Ausdruck, "als stehe die Hölle vor den Toren der Stadt." Und so endet der Roman schwärzer, als er begonnen hat. Nicht gerade eine leichte Urlaubslektüre, aber unbedingt lesenswert.

Nacht über Algier

Roman von Yasmina Khadra. Aus d. Französ. v. Frauke Rother.

Aufbau-Verlag, Berlin 2006

402 Seiten, geb., e 20,50

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