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Jahrtausende in der Tasche

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Wer eine ältere Ausgabe der Werke Georg Büchners, etwa die 42 Jahre alte von Arnold Zweig, zum Vergleich mit der dtv-Taschen-buch-Gesamtausgabe Büchners (dtv 70), der die neueste Auflage der Insel-Ausgabe Fritz Bergemanns zugrunde liegt, heranzieht, staunt über den Zuwachs, den die posthume Literaturforschung aus dem Werk des mit 23 Jahren verstorbenen un-ausgegorenen Genies ans Tageslicht gehoben hat. Denn hier werden nicht nur die beiden vulkanisch herausgeschleuderten Dramen „Dantons Tod“ und „Woyzeck“, das Lustspiel „Leonce und Lena“ und die Lenz-Novelle, sondern auch die Züricher Probevorlesung „Uber Schädelnerven“, Schulaufsätze und Reden, Pa-ralipomena zu einzelnen Dichtungen sowie Briefe und Erinnerungen von Zeitgenossen geboten. Merkwürdig, daß sich aus dem umfangreichen Nachwort des Herausgebers und dem 25seitigen Register nicht auch eine Biographie und Bibliographie haben einsparen lassen. Trotzdem: eine imponierende Gesamtleistung.

In Taschenbuchform liegen jetzt auch zwei „Mann“ vor: des Thomas Ironischer Protest des Künstlerdaseins „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ (Fischer-Bücherei Nummer 639) und Heinrichs mit unversöhnlichem Haß getränkte Verhöhnung der Wilhelminischen Gesellschaft im ersten Teil der Romantrilogie „Der Untertan“ (dtv 256/57).

In der Fischer-Bücherei (640) taucht auch das zwielichtige kriminelle Vorspiel zur Französischen Revolution, „Das Halsband der Königin“, auf; gewandt, elegant, steuert Alexander Lernet-Holenia die Geschichte durch eine Wust genealogischen Ballastes.

Planmäßig schreitet in der Züri-

cher Diogenes-Bibliothek Hans Wei-gels jedem Schauspieler auf der Zunge liegender Moliere in gereimten deutschen Alexandrinern fort. Diesmal ist „Der Menschenfeind“ dran, ein Brückenschlag von Shakespeare zu Raimund, und man hat wieder ungetrübte Freude an dem mitreißenden Fluß der Verse und den alten Stichen.

Keine Freude haben Juden, Katholiken und Protestanten an Lion Feuchtwangers „Jud Süß“, dessen sich ro ro ro 720/21 angenommen hat. Der Klappentext spricht von

einem „Bild der bewegten Zeit des deutschen Barock“ — wohl zuviel der Ehre für diese grell-geile Kolportage, die der Schlußsatz des Klappentextes zutreffender „eine Fabel von Eitelkeit, Habgier, Fleischeslust und Liebe“ nennt.

Doch versöhnt ro ro ro mit zwei unvergänglichen, glasklaren Werken der antiken Literatur, die (nicht nur im Gymnasium) bis in unsere Zeit hinein Wurzel schlagen: Caesars „Der gallische Krieg“ (RK 175/176) und Aristoteles' „Politik“ (RK 171/ 172/173) in mustergültiger Übersetzung und Kommentierung.

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