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Der iranische Schriftsteller Kader Abdolah hält in seinem Exil die Erinnerungen an seine Heimat literarisch wach.

Das Buch des iranischen Schriftstellers Kader Abdolah (Pseudonym), der aus politischen Gründen 1988 nach Holland emigrierte, erzählt im Grunde genommen drei Geschichten: zunächst die des taubstummen Teppichflickers Agha Akbar, der trotz seiner Behinderung und der sozialen Ausgrenzung versucht, in einem kleinen Dorf im persisch-russischen Grenzgebiet ein normales Leben zu führen und die gesellschaftlichen Umbrüche in seinem Land zu ignorieren; dann jene seines Sohnes Esmail, der - wie der Autor selbst - im niederländischen Exil lebt und durch die kryptischen Tagebuchaufzeichnungen seines Vaters mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert wird; schließlich die wechselvolle Geschichte Irans von der Machtergreifung der Pahlevi-Dynastie bis zur islamischen Revolution und der neuerlichen Diktatur durch die Geistlichen. Obwohl oder vielleicht gerade weil die Erzählung ständig zwischen den einzelnen Perioden und Schauplätzen wechselt, entsteht der Eindruck einer inneren Geschlossenheit und schicksalhaften Verflechtung der verschiedenen Handlungsstränge.

Esmail, der von Kindheit an für seinen behinderten Vater als Sprachrohr zur Außenwelt fungiert, erschließt diesem nach und nach den Blick für die Wirklichkeit. Die Spannung zwischen dem traditionellen, religiös begründeten Autoritätsglauben der Landbevölkerung, die alle Unterdrückung in Erwartung des verheißenen Heilsbringers Mahdi erträgt, und der liberalen und religionskritischen Gesinnung der jungen Intellektuellen spiegelt sich im Verhältnis von Vater und Sohn wider: Während Esmail erst gegen den Shah und dann gegen das Mullah-Regime kämpft, versucht Agha Akbar, in Frieden sein Dasein zu fristen und inmitten der Sorgen des Alltags einen Hauch des Glücks zu erhaschen. Ein altes Keilschriftrelief in einer Höhle wird zum Symbol für die Kurzlebigkeit politischer Systeme. Vor Jahrtausenden von Königen zum Gedenken an ihre Ruhmestaten verfasst, verwittert der Text nun als Zeuge einer untergegangenen Kultur, deren Spuren nur noch von Historikern und Dichtern entziffert werden können. Auch die Erinnerung an Mohammed Reza Shah und die Islamische Republik wird eines Tages verblassen. Werden die Menschen dann nicht mehr wie Esmail und sein geistiger Vater Kader Abdolah ins Exil gehen müssen, um nach ihren Überzeugungen zu leben?

Die geheime Schrift

Die Notizen des Agha Akbar

Roman von Kader Abdolah

Aus dem Niederländ. von Christine Kuby

Klett-Cotta, Stuttgart 2003

367 Seiten, geb., e 23,20

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