Der Sommer ist bald vorbei

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Unser Lektorix des Monats.

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Von seinem Ende her ist das Bilderbuch als Erinnerungsgeschichte zu lesen. So wie im Einmachglas auf dem Rückcover Früchte für die kühleren Tage konserviert werden, ist im Buch selbst die Erinnerung an den Sommer festgehalten. Es ist ein besonderer Sommer: Garmans (letzter) Sommer (vor Schulbeginn).

Die Geschichte setzt ein mit dem Vorausblick auf ihr eigenes Ende: „Garmans Sommer ist bald vorbei.“ Fotorealistisch zoomen die Illustrationen an die Vorboten des Herbstes heran, setzen überreifes Obst und sich bereits rot färbende Blätter in bewusster Verkehrung von Größenverhältnissen ins Bild. Wie Insekten umschwirren Garman die sommerlichen Szenerien – unterlegt mit dem fröhlichen Geplapper der Tanten, die mit dem Schiff aus einer anderen Zeit gefahren kommen und „Gicht und Verdauungsschwierigkeiten und Makronenkuchen mitbringen“. Und wenn Garman sich denkt, dass die Tanten jedes Jahr ein bisschen mehr schrumpfen („bald können sie kaum mehr übers Gras schauen“), dann nehmen die Illustrationen Garmans Gedankensprünge beim Wort. Bis hin zur kleinsten Augenfalte und bis hin zu den auf dem alternden Kinn sprießenden Barthaaren in Detailtreue gestaltet, werden die Figuren zu Collage-Elementen einer skurrilen Gartenszenerie, die Garmans Vorstellungswelt bildlich auffächert. Die farbintensiven Anleihen dafür entstammen dem Styling der 1950er Jahre ebenso wie der Hippiekultur und dem magischen Realismus.

Die Angst der Tanten

Doch in das sommerliche Kaffeekränzchen schleicht sich bald die Vorausschau auf den Winter: Das Gastgeschenk der Tanten ist eine Pudelmütze mit Quaste. Gedacht für Garman – und doch der Versuch, die eigene Angst vor dem Winter in Zaum zu halten. Die Angst „vor den kalten dunklen Abenden und den Räumfahrzeugen, dem Schneefegen und glatten Bürgersteigen.“ Auch wenn Garman mit dem Winter viel eher das Iglu, die Rodelbahn im Park und heißen Kakao mit Schlag in Verbindung bringt, so kann er gerade in diesem Sommer nachvollziehen, was Angst und Abschied (für die Tanten) bedeuten. Ein kleiner Vogel stirbt und wird von Garman an einem geheimen Platz im Garten begraben; Garmans Papa geht mit seinem Orchester auf Tournee; und auch Garmann selbst sortiert noch einmal die Requisiten seines Kleinkinderlebens, bevor er sich in Warteposition auf den ersten Schultag begibt. In seiner letzten doppelseitigen Illustration hat der norwegische Bilderbuchkünstler Garmans Zimmer leergeräumt. Der Sommer ist Erinnerung und Garmans Blick auf das Morgen gerichtet: „Es sind noch dreizehn Stunden, bis die Schule anfängt. Und Garman ist ein bisschen mulmig.“

Buchtipp von Furche, Stube und Institut für Jugendliteratur

Garmans Sommer

Von Stian Hole Übers. von Ina Kronenberger

Hanser 2009. 48 S., kart., € 15,40

ISBN: 3-446-23314-8

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