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Eine Art Rohmaterial

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HAUS AUF DEN ROBEN. Ausgewählte Schriften. Von Truman Ci;ote. Limes-Verlag, Wiesbaden. 505 Seiten. Preis 2:2.80 DM.

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HAUS AUF DEN ROBEN. Ausgewählte Schriften. Von Truman Ci;ote. Limes-Verlag, Wiesbaden. 505 Seiten. Preis 2:2.80 DM.

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Bis auf drei Stücke bringt dieser Auswahlband nichts, was nicht bereits deutsch erschienen wäre. Wer die Erzählbände „Baum der Nacht“ und „Frühstück bei Tiffany“, angereichert durch Reportagen und autobiographische Beschreibungen, gerne in einem Band vereinigt besitzen möchte, dem kommt die graphisch solid aufgemachte Ausgabe entgegen. Dem Rezensenten bieten sich nur drei Objekte an: die Erzählung „Auf all den Wegen nach Eden“, die Reportage „Ein Fürst in seinem Reich“ und die autobiographische Beschreibung „Haus auf den Höhen“. Es sind nicht so sehr drei Facetten eines der reizvollsten jüngeren amerikanischen Prosaschriftsteller, als drei Seiten amerikanischer Publikationsmöglichkeiten.

Die Erzählung, Aufzeichnung einer skurrilen Friedhofsbegegnung, zeigt das gestaltete Ergebnis einer Begabung, die sich in etwas anderer Form auch in der Reportage und in der autobiographischen Skizze dokumentiert: genaue Beobachtung, ironische Distanz und die Gabe dessen, was die Amerikaner „apt phrase“ nennen, der geeigneten passenden Redewendung also. In dem Roman „Grasharfe“ waren diese Redewendungen samt und sonders einem mittelamerikanischen Idiom entnommen und zu einer äußerst poetischen, idyllischen Erzählfolge verdichtet. Die vorliegende Erzählung zeigt die Menschen des italienischen Brooklyns.

Die Reportage gilt dem Filmstar Marlon Brando während der Dreharbeiten zu dem populären Film „Sayonara“ in Japan. Eine Reportage als Stilgattung ist eine strenge Form. Der Phantasie sind Grenzen gesetzt, das Faktische darf durch den Sinn für die Skurrilitäten einer außergewöhnlichen Persönlichkeit nicht entstellt werden. Die ironische Distanz darf nicht in aggressiven Spott umschlagen. Der Autor hat praktisch zwei Objekte, den Gegenstand seiner Darstellung und die Erwartung, die der Leser in das Genre setzt. Truman Capote löst die Probleme durch einen ansprechenden Trick. Er setzt der fremden Persönlichkeit seine eigene entgegen; die Reportage verwandelt sich in eine subtil pointierte Ich-Erzählung, und zum Schluß stehen vor dem Leser zwei Personen, nicht nur eine: die eines ständig mit sich selbst beschäftigten Filmstars und diejenige eines für alle Absonderlichkeiten ungewöhnlich sensiblen Reporters, der sich ständig wehren muß, der Anziehungskraft seines Objekts zu erliegen.

Die autobiographische Skizze ist eine Art Rohmaterial, Beschreibung eines Ortes und der Menschen rund um ihn, Zwischenstufe im Werden einer Erzählung, nicht mehr bloße Notiz und noch keine gestaltete Erzählung. Sie hat den Reiz des Verspielten, der den ganzen Band auszeichnet, nicht weniger und nicht mehr.

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