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Italienischer Alltag

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ERZÄHLUNGEN. Von Italo C a 1 v 1 n o. Bibliothek Suhrkamp. 173 Seiten. Preis 5.80 DM, DER TAG EINES WAHLHELFERS. Italo Cal Tino. Fischer-Doppelpunkt. 101 Seiten. Frei! 5.80 DM.

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ERZÄHLUNGEN. Von Italo C a 1 v 1 n o. Bibliothek Suhrkamp. 173 Seiten. Preis 5.80 DM, DER TAG EINES WAHLHELFERS. Italo Cal Tino. Fischer-Doppelpunkt. 101 Seiten. Frei! 5.80 DM.

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Italo Calvino, einer der jüngeren italienischen Erzähler, die im Ausland bekannt sind, unterscheidet sich in seinem erzählerischen Werk grundlegend von der psychologischrealistischen Schule, die in Italien heute modern ist und ungefähr mit dem Autorennamen Moravia assoziiert werden kann. Romane wie „Der geteilte Visconte“, „Der Baron auf den Bäumen“, „Der Ritter, den es nicht gab“ behandeln mit spielerischer Leichtigkeit absurde Themen; die geradlinige Handlung wird mit viel Ironie vorgetragen, die Charaktere aus einer verfremdenden Perspektive gezeichnet.

In den Erzählunigen, vor allem in der längeren Novelle „Der Tag eines Wahlhelfers“, werden, im starken Gegensatz zu den erwähnten Romanen, Motive aus dem italienischen Alltag aufgegriffen, wobei dieser Alltag, wie ihn Calvino sieht, aus viel Not und Hunger, beide nicht selten skurril, Politik und -Religion in untrennbarer Verknüpfung zusammengesetzt ' ist. Im „Tag eines Wahlhelfers“ zeichnet der Autor die zwiespältigen Gefühle eines Kommunisten nach, der die Aufgabe hat, für seine Partei den Wahlvorgang in einem riesigen Turiner Irren-und Armenhaus, dem „Cottolengo“, zu kontrollieren. In dieser Anstalt dürfen auch Idioten oder Krüppel zur Wahl gehen, wenn sie laut italienischem Wahlgesetz entweder einen Ausweis beibringen oder einen Zeugen, der ihre Identität bezeugt. Es sind die Formalitäten der Wahl, die der Kommission Grund zu Auseinandersetzungen geben, und der Wahlhelfer wird während der zeitweilig monotonen Vorgänge in nicht sehr artikulierten Reflexionen der zwiespältigen Rolle gewahr, die er als Bürger einerseits, als kommunistischer Revolutionär anderseits, zu spielen hat, inmitten einer Gesellschaft, die sich ihm im „Cottolengo“ ebenso zwiespältig präsentiert: nämlich als eine Welt voll menschlicher Abstrusität und doch von Mitleid verwaltet.

Die Erzählungen sind größtenteils Geschichten aus den untersten sozialen Schichten Italiens, handeln von Schwarzhändlern, Straßenmädchen, Bettlern und sizilianischen Arbeitslosen. Hier dokumentiert sich bereits — die Erzählungen sind allesamt früheren Datums — jene Ironie, jene Perspektive der Absurdität, die auch die wichtigen Romane Calvinos kennzeichnet.

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