Schloss - © Foto: iStock/BMPix

Jugendbuch: Metafiktion mit digitalem Gruselfaktor

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Der Lektorix für August 2020 geht an: Das Rätsel von Ainsley Castle von Holly-Jane Rahlens.

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Der Lektorix für August 2020 geht an: Das Rätsel von Ainsley Castle von Holly-Jane Rahlens.

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Ist Literatur immer ein Konstrukt? Selbstverständlich. Nur lädt ein (Jugend-)Roman seine Leserinnen und Leser in den allermeisten Fällen in eine hermetische Erzählwelt ein, in der ihnen dieser Konstruktcharakter nicht bewusst wird. (Außer natürlich, der Roman ist schlecht konstruiert.) Legt ein Roman den Konstruktcharakter – die Gemachtheit – von Literatur im Allgemeinen und seiner selbst im Speziellen offen, so spricht man von Metafiktion. Wie aber lässt sich von Metafiktion erzählen – noch dazu in einem abenteuerlichen Roman, der zielgruppenadressiert für eine Altersstufe zwischen elf und 13 Jahren erzählt?

„Ich habe euch erschaffen. Mit Blut, Schweiß und Tränen. Und Pixeln natürlich.“ Die Information darüber, wer diesen Satz wann in „Das Rätsel von Ainsley Castle“ ausspricht, muss an dieser Stelle selbstverständlich zurückgehalten werden – schließlich soll das clever konstruierte, literarische Rätselspiel, von dem der Romantitel spricht, nicht vorab gelöst werden.

Anspielungsreichtum und Sprachwitz

Am Beginn der Lektüre kann ohnehin ein fantastischer Roman mit digitalem Gruselfaktor vermutet werden: ­Elizabeth, wie ihre literarische Schwester aus der Bennet-Familie Lizzy genannt, muss auf eine ganz im Norden liegende schottische Insel umziehen, weil die neue Frau ihres Vaters dort die Leitung eines Hotels übernommen hat. Inmitten der rauen Landschaft sind die mysteriösen Ereignisse nicht weit. In Lizzys Fall haben sie aber nichts mit geheimnisvollen Wesen aus dem schottischen Moor zu tun, sondern mit digitalen Nachrichten, in denen Lizzy eine exakte Textversion jener Situationen übermittelt wird, in denen sie sich gerade befindet. Wer versteckt sich hinter dem verklausulierten Absender administrator@bbm_ac.com?

Märchenkompetent wie Lizzy ist – gleichermaßen wie ihre Leserinnen und Leser –, fällt der Verdacht sofort auf die Stiefmutter, die von Holly-Jane Rahlens mit intertextueller Zitationslust auch entsprechend beschrieben wird. Wie gut, dass am scheinbaren Ende der Welt die liebenswert-verwegenen Söhne der Schaffarmer nicht nur als Aushilfskellner im Hotel jobben, sondern auch Jugendliche mit Hacker-Potential sind. Dieserart begibt Lizzy sich gemeinsam mit Mack auf die Suche nach der Verortung im eigenen Leben (Roman …). Mit Anspielungsreichtum, Sprachwitz und Abenteuerlust weiß die aus den USA stammende und in Berlin lebende Autorin die Verdrehtheit von Lizzys Erlebnissen und Erkenntnissen über sich selbst zu inszenieren und dabei wie nebenbei davon zu erzählen, wie literarische Schreibprozesse funktionieren.

Die Autorin ist Leiterin der Studien- und Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur in Wien.

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