Kraft der Poesie: "Der Zapperdockel und der Wock"

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Unser Lektorix des Monats.

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Jeder Mensch - ob groß, ob klein - kennt solche Situationen: Da fühlt man sich im Großen und Ganzen und soweit eigentlich recht zufrieden, nicht zu groß und nicht zu klein; nicht zu dick und nicht zu dünn; vielleicht nicht besonders schön, aber eben durchaus auch nicht hässlich. Und dann passiert es gerade an einem solchen Tag, dass ein Flegel daherkommt und einen hässlich schimpft. Einem seinen ganzen Missmut in die Seele knallt. Und schon steht man da - genau wie der Zapperdockel: Abgestürzt vom schmalen Grat durchschnittlicher Zufriedenheit fließen ihm die Tränen über den eben noch schwungvoll geschwungenen, orangeroten Schnurrbart. Und während der von seinem eigenen Grant ganz blau gefärbte Wock weitere Unfreundlichkeiten von sich gibt, bildet sich um den gelb gekränkten Zapperdockel ein großflächiger Tränensee - vom Zeichner Jens Rassmus als Mikrokosmos mit Tusche und Feder zu eigenem Leben erweckt.

Doch was so konfliktträchtig beginnt, entwickelt sich in freundschaftlicher Aufmerksamkeit, als der Wock durch die Traurigkeit des Zapperdockel dessen poetische Ader durchschimmern sieht: "Das Leben ist so traurig wie ein schwarzer Stein." Oder ist das Leben doch eher wie ein knallroter Gartenschlauch? Oder wie ein gelbes Windrad? Oder gar einer grün gepunkteten Krawatte ähnlich? Mit dem poetischen Einfallsreichtum gerät zunehmend Farbe in die Bilder und gegenseitige Anerkennung in die Beziehung der beiden grundverschiedenen Wesen. Mit jedem weiteren Vergleich erhält auch die umgebende Landschaft neue witzige Details, die es zu entdecken lohnt! Unsicherheiten und Zweifel weichen einem Selbstbewusstsein, das im gegenseitigen Vertrauen weiter wächst: So sollte es immer enden, wenn an einem ganz bestimmten Tag so ein Flegel daherkommt und einen hässlich schimpft. Denn dann wäre das Leben so zapperdockelig und wockig wie dieses herzerfrischende Bilderbuch!

Der Zapperdockel und der Wock

Von Georg Bydlinski

Ill. von Jens Rassmus

Wien: Dachs 2004

32 Seiten, geb., e 14,30

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