7099888-1995_07_20.jpg
Digital In Arbeit

Peter Wagners krasse Fabel

Werbung
Werbung
Werbung

Peter Wagner schafft in seinem totentanzähnlichen Stück „Die Nackten” das seltene Kunststück, keine einzige Figur auftreten zu lassen, für die man Sympathie empfinden könnte.

Die an den Rollstuhl gefesselte bresthafte Geysing (Paola Low) ist eine von Enttäuschungen gezeichnete Frau, ihre Tochter Klara (Johanna Tomek) glaubt, durch wechselnde Partnerschaften ihre psychischen Problem lösen zu können.

Ihr Sohn Bruno (Volker Wahl) ist ein Neurotiker mit Machoanflügen, Bamani (Karl Schmidt-Werter), der aktuelle Mann von Klara, eine Mischung aus Zuhälter und Industriellem, hat als Macho mehr Format als der unfähige Bruno, der als Vater eine bläßliche Büroerscheinung ist: Hubschmid (Herbert Pendl), der als oberste Maxime in seinem Leben nichts anderes kennt als die Pflichterfüllung.

Allen gemeinsam ist ein Außen-feind, die Nackten, die durch gewaltlosen Widerstand den Besitzenden, also den Bekleideten, den Kampf angesagt haben. Über die Nackten ist nichts zu sagen, sie treten in dem Totentanz nicht auf. Umso mehr ist über die Bekleideten zu sagen, die im Laufe des Stücks immer mehr psychisch entkleidet werden. Sie sind einander die ärgsten Feinde, stets auf den eigenen Vorteil bedacht. Nur in einer Welt, die dem Untergang geweiht ist, reißen einander die entsolidarisierten Mitglieder einer Gesellschaft in den Abgrund, nicht nur in den psychischen, sondern auch in den physischen. Daher bleibt am Ende dieses Totentanzes völlig folgerichtig nur die halbe Nutte Klara über, die in Vollziehung des

Beischlafs mit einem Toten in Ekstase gerät. Sie hat sich eine Pistole in den Mund geschoben. Die Hand ist am Abzug, doch der Schuß fällt diesmal nicht.

Peter Wagner Totentanz ist eine krasse, ins Mystische gehende Parabel, die von den gegebenen Verhältnissen ausgeht und ihren Endpunkt irgendwo in einer nicht näher bezeichneten Zukunft findet. Dem Theater m. b. H. ist zu dieser Uraufführung zu gratulieren.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung