Licht in die dunkle Epoche

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Luciano De Crescenzo wagte eine Geschichte der mittelalterlichen Philosophie.

Luciano De Crescenzo ist der erfolgreichste unter den vielen, die in den vergangenen Jahren dem Trend der leichtfüßigen Popularisierung der Philosophie gefolgt sind. In zahlreiche Sprachen übersetzt, sind seine zwei Dutzend Bücher überall auf die Bestsellerlisten gelangt.

Insofern kann auch nichts schief gehen, wenn sich der Neapolitaner nun dem Mittelalter zuwendet und nachforscht, wer denn am Ende des Altertums das Licht ausgeknipst hat und ob das Mittelalter wirklich so dunkel war, wie ihm manchmal nachgesagt wird. Letzteres ist freilich schon durch Umberto Ecos Schriftstellerei richtiggestellt. Damit braucht auch die erste Frage nicht mehr so recht beantwortet zu werden. Trotzdem sei De Crescenzos Mut gewürdigt, sich über dieses sperrige Kapitel der Geistesgeschichte zu beugen, das sich bisher Popularisierungen gegenüber als recht resistent erwiesen hat.

De Crescenzos Rezept ist auch in diesem Fall relativ simpel. Er schreibt ohne viel literarische Ambition, was manchmal zu ungelenken Formulierungen und seltsamen Metaphern führt, wenn sich Pilatus "bekanntermaßen seine Hände in Unschuld wusch" (100) oder der Islam sich ausbreitet "wie ein Ölfleck" (101). Er entwirft keine Philosophiegeschichte im eigentlichen Sinn, sondern nimmt sich in zweiunddreißig kurzen, durchaus spannungsvollen und unterhaltsamen Kapiteln Philosophen und Theologen, samt einigen Sachabschnitten (Scholastik, Kreuzzüge, Hexen, Barbaren, Religionen, Jahrtausendwende) vor, die gleichsam mosaikartig ein Bild des Mittelalters entstehen lassen.

Diese Absicht ist zweifellos eingelöst, wenngleich man - im üblichen Suchspiel nach dem Fehlenden - um manch ein Steinchen trauert: Romanik, Gotik, Ritter, Burgen, Rosenroman. Erstaunlich, dass man bei so breit gestreutem und extrem verdünntem Themenkonzentrat, - bei dem der Autor teilweise, wie bei der Darstellung der Religionen, hart an das noch Vertretbare rührt -, mit zwei Ausnahmen und einigen Kleinigkeiten, wie das auszuschließende Zusammentreffen des Sokrates mit dem alten Parmenides oder die unbefriedigend bleibende Universalienfrage, auf keine wirklich störenden Fehler stößt.

Die eine Ausnahme ist der Neuplatonismus, zu dem De Crescenzo keinen Zugang gefunden hat, was er übrigens selbst einräumt, was aber wegen der enormen Wirkgeschichte dieses Ideengebäudes in Renaissance, deutschem Idealismus bis zur Gegenwart bedauerlicher ist als er meint. Zum zweiten geht die Darstellung des epochalen Kirchenlehrers Thomas von Aquin weitgehend an den eigentlich spannenden Punkten vorbei.

Dieses kleine pointillistische Gemälde des Mittelalters ist es jedenfalls wert, in die heimische Sammlung der Bildungslektüre aufgenommen zu werden und bei den vielen begeisterten De Crescenzo Sammlern braucht einem darum auch nicht bange zu sein.

Kleine Geschichte der mittelalterlichen Philosophie

Von Luciano De Crescenzo

Deutsch von Bruno Genzler

Knaus Verlag, München 2003

206 Seiten, geb., e 20,50

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