Werbung
Werbung
Werbung

Marie Laurenti präsentiert in ihrem ersten Lyrikband

einen erstaunlichen Bildkosmos.

Marie Laurenti ist eine Entdeckung! Schon oft ist es dem Haymon-Verlag gelungen, mit seinem Programm auf besondere Talente aufmerksam zu machen. Der Lyrikband "Die Pole frosten meinen Traum" ist die erste Buchveröffentlichung der 48-jährigen Autorin, die hier mit handwerklichem Geschick einen Bildkosmos präsentiert, der in Bann hält. Worum geht es? Laurenti bevorzugt das Dunkle, eine Sprache des Schmerzes. Sie ist es, die hervorsticht und gefangen nimmt, wenn auch nicht allen Texten die Schattensäume der Trauer und Sehnsucht eingeschrieben sind.

Rot, schwarz, ewige Wiederkehr des Gleichen im Krieg, Staubgesang und Memoranda. Laurenti zieht Spuren durch die jüngste Vergangenheit. Der Serbienkrieg hat ein Déjà-Vu-Erlebnis gebracht: "Es werden wieder / welche ausgesondert // Es fahren wieder / Züge mit Menschenfracht // Es gibt wieder / Lager am Ende der Fahrt // Es gibt wieder // Listen" Schmucklos, auf das Wesentliche reduziert wird gesagt, was Sache ist. So einfach, wie sich scheinbar auch Geschichte immer wieder wiederholt. Laurenti modelliert ihre Kriegslieder als nüchterne Bestandsaufnahmen, die Assoziationen zu Günter Eichs Inventur wecken ("...Ein Stein / und Krumen / im Sack eines / alten Mantels // Nicht tot / Nicht lebendig") oder aber auch als poetisch ausgedünnte Abstraktionen von Gewalt: "Roter Frühling / färbt das Feld / Färbt das Feld // Kein Salz / Kein Brot".

Leise tastend überblendet Laurenti das in diesen Gedichten ausgemalte Daseinsgefühl mit Melancholie: "Im Dunkel geht das Schweigen / aus den Gräbern blüht die Bleiche / meiner Träume tropft der Salzbaum / rändern rote Spur // An deinem Rain die Lippen nie genetzt / Asche im Nirgend / Manna fiel nicht". Auf ungewöhnliche Art lässt Laurenti den Satz in die nächste Verszeile wachsen. Die so aufgebaute Spannung verstärkt sich noch, weil sich die einzelnen Bedeutungsfelder aneinander reiben und vielschichtige Auslegungen zulassen.

Besonders augenfällig sind hier die zahlreichen schöpferischen Fügungen von bildhaftem Sog, die wie Intarsien in diesen Wortlandschaften liegen. Hände "fäustern" in Manteltaschen, kalt blitzender Himmel und blühloser Rosenwein frappieren. Schmerzversaufend und lichtschwarz - das erinnert an Paul Celan, dem sie das Schmerzlied 10 gewidmet hat. Andernorts hat Laurenti auch sinnliche Abstraktheit in ihre Texte geflochten. Das Lager teilt man mit der Syntax. In der Wüste brennen Metaphern: "ganz unten der Wortschatz / ist purpur und / ich geh daneben".

Laurentis Gedichte klingen schließlich versöhnlich aus. Liebe ist das dominante Thema des dritten Teils. Glühende Purpurrosen im "Geschmeide" der Hände, man konsumiert "Wortwein" bis zu Trunkenheit. Und inmitten umherflirrender "Sinusküsse" tun sich Sternwege auf. Robert Schindel hat Laurenti in seinen abschließenden Notizen einen "eigenen Ton" bescheinigt. Diesem Ton wünscht man, gehört zu werden: "Durch Nirgendwo und / Immerhier / streifst du im / Zwischenaußen // Feuersäule / im Eisen // Nun weht / dich der Wind / übers Augenmeer // Die Rose ein / Stein"

Die Pole frosten meinen Traum

Gedichte von Marie Laurenti. Mit einem Nachwort von Robert Schindel

Haymon Verlag, Innsbruck 2003

70 Seiten, geb. e 14,80

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung