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Menschen in der Entstehung

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WER BETET FÜR JUDAS? Geschichten. Von Josef Reding, Paulus-Verlag, Recklinghausen. 144 Seiten. Preis 8.80 DM

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WER BETET FÜR JUDAS? Geschichten. Von Josef Reding, Paulus-Verlag, Recklinghausen. 144 Seiten. Preis 8.80 DM

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Der heute dreißigjährige Josef Reding hat ein, auch für seine Generation ungewöhnlich bewegtes Leben hinter sich, mit ständig wechselnden Schauplätzen und Tätigkeiten, deren vielfältige Erfahrungen seine schriftstellerische Arbeit lebendig widerspiegelt. Im Ruhrgebiet aufgewachsen, kommt Reding schon als Kind durch die Evakuierung im Krieg weit in Deutschland herum, wird noch als Schüler zu Rüstungsarbeiten herangezogen und schließlich im Alter von 15 Jahren in eine „Panzervernichtungsbrigade“ gesteckt — eine Episode, die mit kurzer -amerikanischer Gefangenschaft endet. Als Gymnasiast arbeitet Reding nach dem Krieg dann ein Jahr in einer Betonierorkolonne und studiert schließlich in Deutschland und Amerika Germanistik, Anglistik und Kihderpsycbologie. Später folgen ausgedehnte Reisen in die weite Welt.

Der Autor kennt also die Studenten. Arbeiter und Manager, die Menschen fremder Länder und Rassen, die seine Geschichten bevölkern, aus eigener Anschauung, hat unter ihnen gelebt und häufig ihr Schicksal geteilt. Das erklärt seine menschliche. Verpflichtung, sein vorbehaltloses Engagement, das immer wieder in seinen Büchern auffällt. Bezeichnend für Redings Haltung scheint uns auch sein langer freiwilliger Aufenthalt im Grenzdurchgangslager Friedland, dessen aufwühlende menschliche Begegnungen ihren Niederschlag in dem Roman ..Friedland, Chronik der großen Heimkehr“ finden.

Schon in diesem ersten Buch zeigt sich, ebenso wie in dem folgenden Sammelband von Short-stories „Nennt mich nicht Nigger“ und gesteigert noch in den hier vorliegenden Geschichten, Redings Grundanliegen. Immer geht es ihm um den Menschen in seiner Einsamkeit, Gleichgültigkeit und Kontaktlosig- keit, diese Krankheit unserer Zeit, der Reding mit leidenschaftlicher Anteilnahme zu Leibe rückt. Er tut' das niemals mit erhobenem Zeigefinger; er predigt nicht, sondern zeigt uns Menschen an Brennpunkten ihres Daseins, die zu der Entscheidung herausfordern, ein sinn- und gehaltlos gewordenes Leben zu ändern. Die einen überhören den Anruf, der sie herausfuhren könnte aas ihrer Beziehungslosigkeit in echte Bindungen. Die anderen tun den Schritt aus der Vereinsamung in die Brüderlichkeit. Diese offenen Möglichkeiten, die der freien Entscheidung des einzelnen Spielraum geben, sie geradezu fordern, sind das eigentlich Faszinierende an seinen Geschichten; genau der Appell, auf den viele Menschen heute noch reagieren, die sonst kaum mehr ansprechbar sind.

Ein Wort noch' zur formalen Seite von Redings Werk. Er ist ein Meister der Kurzgeschichte, der in der höchst prägnanten, knappen Schilderung der realen Situation immer zugleich ihre Hintergründig- keit,_die metaphysische Verflochtenheit menschlichen Daseins spürbar werden läßt. Mit seinem durchdringenden Blįck hinter die Kulissen wird die verflachende und verfälschende Oberfläche ad absurdum geführt. Das alles demonstriert Reding an den alltäglichsten Ereignissen, wie sie jedem von uns begegnen können, und von denen wir uns deshalb ganz unmittelbar und persönlich betroffen fühlen.

Am wesentlichsten aber dünkt uns, daß der Autor, der sich jede billige Lösung versagt und keineswegs die Gefahren und Unzulänglichkeiten menschlicher Existenz verharmlost, doch nie den Glauben an den Menschen verliert, weil er diesen sich oft so selbstherrlich gebärdenden Menschen in Gottes Hand weiß.

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