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Digital In Arbeit

Moderne Goldesel

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68 Millionen Transaktionen wurden 1995 via Bankomat durchgeführt. Dabei „spuckte" der Automat 128 Milliarden Schilling aus.

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68 Millionen Transaktionen wurden 1995 via Bankomat durchgeführt. Dabei „spuckte" der Automat 128 Milliarden Schilling aus.

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Ein Esel von einer besonderen Art: er zieht nicht am Wagen und trägt auch keine Säcke. „Wozu ist er dann nütze?" fragte der junge Geselle. „Er speit Gold", antwortete der Müller. „Wenn du ihn auf ein Tuch stellst und sprichst ,Brick-lebrit', so speit dir das gute Tier Goldstücke aus, von vorn und hinten." Nicht jedes Märchen wird wahr, aber man stelle sich vor, Menschen des Mittelalters oder Jakob und Wilhelm Grimm würden uns von einem Ban-komat Geld abheben sehen ...

Die Österreicher haben 2,5 Millionen Scheckkarten, 1,5 Millionen davon mit Bankomat-Funktion. In Wien und am Wochenende mußte man vor September 1980 noch zum Westbahnhof fahren, um bei einem Bankkiosk einen Scheck einzulösen. Aber heute gibt es in Österreich Ban-komat und damit täglich bis zu 5.000 Schilling Bargeld von mittlerweile 2.000 Bankomat-Geräten.

Sollte einmal ein Bankomat „Außer Betrieb" sein, und es ist Freitag kurz vor Bankschluß, versuchen Sie es drei Minuten später, vielleicht wurde das Gerät nur für das Wochenende nachgefüllt. Außerdem gibt es noch 3.500 Bankomat-Kassen, hier kann man gleich im Geschäft mit der Bankomat-Funktion begleichen, sie haben ein grün und blaues „B" auf dunkelblauem Grund als Logo und heißen auch Point-of-sale (POS)-Ter-minals. Zusätzlich kann man im europäischen Ausland bei mehr als 110.000 Geräten mit der Bankomat-Karte Geld beheben.

Die modernen Goldesel führten letztes Jahr in Österreich 68 Millionen Transaktionen durch, dabei wurden 128 Milliarden Schilling - mehr als das Sparpaket ausmacht - ausgezahlt. Im Schnitt entnehmen die Österreieher etwa 1.800 Schilling pro Behebung; „gegen Monatsende etwas weniger" sagt Alfred Scholz Projektleiter bei Europay Austria. Diese Gesellschaft, sie ist im Eigentum der österreichischen Banken, wickelt das Ban-komat-Geschäft ab. Die Bankomat-Geräte gehören den einzelnen Banken.

„Der Geselle griff in die Tasche, aber sein Gold war eben zu Ende." Also mußte er zum Goldesel. Der Wirt „war neugierig, schlich ihm nach, und da der Gast die Stalltür zuriegelte, so guckte er durch ein Astloch." Und dabei erfuhr er auch das Zauberwort. „Ei der Tausend", sagte der Wirt, „da sind die Dukaten bald geprägt! So ein Geldbeutel ist nicht übel!" Der Wirt band in der Nacht einen anderen Esel an die Stelle, und der Geselle war seinen Goldesel los.

Der Bankomat ist frei zugänglich und einsichtig. Die private Angelegenheit des Behebens von Geld ist der Öffentlichkeit ausgesetzt. Ein Mann entnimmt dem Automaten zwei 1000 Schilling Scheine und entfernt sich. Der nächste ist eine Frau. Sie steckt ihre Bankomat-Karte in den Schlitz. Sie muß warten, die Karte wird gelesen. Sie soll ihren Code eingeben. Das ist der entscheidende Vorgang: die vier Ziffern sind nur ihr bekannt. Die persönliche Identifikationsnummer (PIN) ist das wichtigste Sicherheitselement im System; sie darf sich nicht irren oder gar die Ziffernkombination vergessen haben.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) fordert von den Banken und von Europay, Banko-maten und Bankomat-Kassen mit einem besseren Sichtschutz auszustatten, um das Ausspionieren des Geheimcodes zu erschweren. Scholz entgegnet, daß der Sichtschutz bei den neuen Bankoma-ten bestehe.

Außerdem wünschen sich die Konsumentenschützer Belegausdrucker in den Ban-komaten und eine unabhängige Schiedsstelle für den vom Kunden behaupteten unbefugten Zugriff. Sonst habe der geschädigte Kunde „schlechte Karten", weil beim Mißbrauch die Beweislast weitgehend bei ihm liegt.

Das Märchen geht gut aus: Der Wirt ruft nach einer Tracht Prügel: „Ich gebe alles gerne wieder heraus."

Der Autor ist

freier Mitarbeiter der Furche.

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