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Mond und Möndchen

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Schon wieder der Mond? — Ja, aber nicht geophysikalisch, astronomisch, astronautisch, sondern ganz laienhaft soll diesmal vom guten alten Mond, dem „Gedankenfreund“, die Rede sein, wie er seif den ältesten Zeiten, und zwar viel stärker als die Sonne, Gemüt und Phantasie der Menschen bewegt und erregt. Nichts vom Schuh auf den Mond und dem so wichtigen Blick auf seine Rückseite! Nicht Mondmeere und Krater wollen wir sehen, sondern lieber den Mann im Mond oder den Kufj im Mond. Wir kennen Haydns Oper „Die Welt auf dem Mond“ und Carl Orffs kleines Weltrheater „Der Mond\ Wir haben die Mondscheinsonate, wir haben Goethes herrliches Gedicht „An den Mond“. Der Mond ist Faustens „frübsel'ger Freund“ und scheint in beiden Walpurgisnächten. In der Rüpelszene des „Sommernachtstraumes“ tritt er sogar persönlich sprechend auf.

Griechen und Römer hielten den Mond sowie die Sonne für eine Gottheit. Ebenso die Germanen, die nach dem Mond den Montag benannten wie nach der Sonne den Sonntag. Auch im Aberglauben spielt der Mond eine grofje Rolle. In „mondbeglänzten Zaubernächten“ treiben Geister und Gespenster ihr unheimliches Spiel. Thessalische Hexen vermochten es sogar, den Mond „von seiner Bahn herabzusingen, Verderblichstes ihm abzuringen“. (Klassische Walpurgisnacht.)

Fragt da ein kluges Kind, wie denn der Mond zu seinem Namen kam. Darüber kann eine kleine Sprachvergleichung Aufschlug geben. Mittelhochdeutsch heifjt der Mond m a n e. Englisch heifjt er m o o n. Verwandt ist griechisch m e n, lateinisch m e n s i s, Monat. All diese Wörter stammen von einer Wurzel m e, die messen bedeutet. Mond heifjt also Messer, da er als Zeitmesser diente. Die Zeit von einem Vollmond zum anderen nannte man Mond oder, dasselbe Wort zerdehnt, Monat. In gehobener Sprache kann Monde für Monate stehen; umgekehrt heifjt es im bayrischen Dialekt: „'s Monat geht auf.“

Lateinisch heifjt der Mond I u n a, was „die Leuchtende“ bedeutet. Das Wort ist weiblichen Geschlechtes. Luna ist eine Göttin. Dasselbe Wort ist das französische I u n e und das italienische luna. Von Menschen, deren Stimmungen wechseln wie die Mondphasen, sagt man, sie haben Launen. Das Wort Laune ist aber nichts anderes als luna, Mond. (Lateinisches langes u erscheint im Deutschen als au; aus mus wird Maus, aus murus Mauer, aus sus Sau, aus urus Auerochse.) Auch im Französischen hat lunes, Monde, die Bedeutung Launen, bien lune heifjt gut gelaunt, lunatique aber mondsüchtig, das englische lunatic wahnsinnig. Das Wortspiel „Die keusche Luna launet grillenhaft“ steht in Faust 2, erster Akt. Nach dem Volksglauben sucht der Schlafwandler den Mond und heifjt daher mondsüchtig. Sucht und süchtig kommt aber nicht von suchen, sondern von siech, krank. Dasselbe gilt von allen anderen Süchten, wie Bleichsucht, Schwindsucht, Wassersucht und in übertragener Bedeutung von Sehnsucht, Habsucht, Eifersucht.

Vom griechischen m e n gibt es die Verkleinerungsform m e n i s k o s, Möndchen. In der Anatomie werden damit zwei kleine Knorpel im Kniegelenk bezeichnet. Man sagt, dafj sich jeder zünftige Skifahrer einmal einen Meniskusrifj zugezogen haben mufj. Noch eine andere Stelle des menschlichen Körpers soll uns an den Mond erinnern. Der halbmondförmige, lichte Fleck an der Wurzel des Fingernagels heifjt Lunula, das ist die Verkleinerungsform von luna, also das Möndchen,

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