Mit seinen kleinen handlichen Büchern hat der Wieser Verlag viel zur literarischen Entdeckung Europas beigetragen. "Europa erlesen" brachte Länder, Regionen und Städte im Wort aus der Ferne in die Nähe und aus der Vergessenheit in die Erinnerung. Nun richtet der Verlag seinen Fokus auf jenes faszinierende und doch so fremde, mit allerlei Klischees entfremdete Gebiet: auf den Orient. "Orient erlesen": diese Reihe bedeutet wiederum kleine, gebundene und optisch ansprechende Anthologien, Orten oder Ländern gewidmet, die im tagespolitischen Gespräch sind, von deren Kultur man aber viel zu wenig weiß.
Zum Beispiel der Iran, dermaßen prägend durch seine jahrhundertealte Kultur und doch so ein blinder Fleck auf unserer Wissenslandkarte. Das Auswahlprinzip der Anthologie ist Vielseitigkeit. Und Innen- und Außensicht. Da finden sich neben historischen Reiseberichten wie denen von Marco Polo einst und Annemarie Schwarzenbach Jahrhunderte später traditionelle Erzählungen, aber auch Texte von zeitgenössischen Schriftstellern. So etwa von dem im Iran lebenden Mahmud Doulatabadi, aber auch von Abbas Maroufi, der seit 1996 in Deutschland lebt.
Vielfalt
Dieselbe Vielfalt gilt für Marrakesch, dem Band, in dem selbstverständlich Elias Canetti nicht fehlen darf. Aber auch Juan Goytisolo und Tahar Ben Jelloun, Hubert Fichte und Bodo Kirchhoff stellen sich ein. Vor allem aber Ibn Battuta, jener Weltreisende, der zu seiner Zeit, dem 14. Jahrhundert, wohl alle Reiserekorde gebrochen hat. Auch im Band über Luxor und Assuan findet man ihn wieder. Dort stößt man auch auf Rainer Maria Rilke, Ovid, Ingeborg Bachmann - und Agatha Christie. Der französische Reisende und Schriftsteller, der viele Zeitgenossen um die Wende zum 20. Jahrhundert mit seinen Schilderungen in ihren Vorstellungen von den fremden Ländern prägte, Pierre Loti, fehlt in keinem der drei handsamen Bände.
Häppchen
Zugegeben, "Orient erlesen" bietet nur Köstlichkeiten a la "Nouvelle Cuisine", also sehr schmackhafte Leckereien, die aber nur häppchenweise serviert werden. Die kurzen Textausschnitte sind als Appetizer zu sehen, die Appetit machen, zum einen oder andern Buch zu greifen, das literarischer Wegweiser sein kann für die Länder, über die man sonst Informationen aus dem Baedeker erliest. (Und auch dieser ist vertreten, im Band über Luxor und Assuan findet sich ein Abschnitt einer Baedeker-Ausgabe von 1913.)
Brigitte Schwens-Harrant
Orient erlesen - Iran
Hg. v. Walter M. Weiss. Wieser Verlag, Klagenfurt / Celovec 2003
262 Seiten, geb., e 13,40
Orient erlesen - Luxor / Assuan
Hg. v. Walter M. Weiss. Wieser Verlag, Klagenfurt / Celovec 2003
256 Seiten, geb., e 13,40
Orient erlesen - Marrakesch
Hg. v. Walter M. Weiss. Wieser Verlag, Klagenfurt / Celovec 2003
256 Seiten, geb., e 13,40