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Janusz Glowackis Roman "Die Unterhose, die Lotterie und das Schwein" fordert seinen Lesern einiges ab.

Amerika war einmal ein gelobtes Land. Auch für Janusz Glowacki gab es keinen Zweifel daran, dass die Vereinigten Staaten das einzig mögliche Zielland seiner Emigration sein sollten. Er befand sich in London, wo eines seiner Stücke aufgeführt wurde, als über Polen das Kriegsrecht verhängt wurde. Er beschloss, nicht zurückzukehren und emigrierte 1982 nach New York.

Es gelang ihm, Fuß zu fassen und mit dem sozialkritischen Stück "Antigone in New York" reüssierte Glowacki in den 90er Jahren international. Seine letzte Prosaveröffentlichung in deutscher Sprache ist dagegen lange her, sie datiert aus dem Jahr 1983. Die aktuelle Entdeckung seines Romans "Die Unterhose, die Lotterie und das Schwein" ist dem Innsbrucker Skarabæus-Verlag zu verdanken.

Amerika sieht nicht gut aus

Und Amerika sieht darin gar nicht mehr gut aus: John Jefferson Caine ist tot. "Der große Designer lag in seinem berühmten Sechsmeterbett mit Baldachin, das er im Juni 2005 entworfen hatte. Er trug zu diesem Anlass seinen legendären, byzantinisch-goldfarbenen Pyjama. Über sein Antlitz, das von Salvadore Bellini, dem blitzschnell aus Rom eingeflogenen Meister des Make-ups hergerichtet worden war, beugten sich Hunderte von Filmkameras und ein Wald von Mikrofonen. Zwei Milliarden Menschen auf fünf Kontinenten erwarteten voller Spannung die letzten Worte des Genies." Die Szene erinnert nicht zufällig an das Sterben von Orson Welles' Zeitungsmagnaten "Citizen Kane". Wie in seinen Stücken bezieht sich Glowacki auch im Roman auf eine klassische Vorlage - das bleibt in diesem Fall aber auch die einzige Ehrerbietung, die er der amerikanischen Kultur erweist.

Die eigene Haut verkauft

Sein Caine, gefeierter Designer und Herrscher über ein TV-Imperium, mutiert zur grotesken Allegorie eines Zeitgeists, der die ästhetische Perfektion, die Herrschaft des Bildes zur Ideologie erhebt. Caines Meisterwerk ist die Kreation einer Unterhose für Männer, von Kritikern als die "Sixtinische Kapelle des 21. Jahrhunderts" gefeiert. Jeder Unterhose ist ein Lotterielos beigegeben, der Gewinn besteht in einer Anstellung als Hausmeister auf Caines Schloss mit einem monatlichen Gehalt von 200.000 Dollar. Dieses Glück wird dem illegal in die U.S.A eingewanderten Polen Kuba zuteil. Sein Pech, dass Caine nur einen Tag nach der Ziehung verstirbt.

Kuba möchte dennoch seinen Posten antreten und macht sich auf den Weg zu Caines Schloss. Er begegnet dort unter anderem Caines Mutter, seinem Leibwächter und seinem intimsten Freund - sie alle erzählen Kuba ihre Herkunftsgeschichte und ihre Begegnung mit Caine. Es sind Geschichten von Vergewaltigungen in Permanenz. Für die Teilhabe am schönen Schein, an Reichtum und Erfolg gilt es, die eigene Haut zu verkaufen.

Die Wertsteigerung dieser Haut mittels chirurgischer Zurichtung der Körper und exklusiver Umhüllung derselben mit Haute Couture schildert Glowacki mit beinah gewalttätigem Sarkasmus. Es sind Zombies, denen Kuba in Caines Reich begegnet.

Wut zwischen den Zeilen

Als Medienmogul bestimmt Caine nicht nur, wann und wo Kriege und Massaker stattfinden, er sorgt auch für die passende Bekleidung der Opfer und Täter. Massenmediale Ästhetik, Design- und Körperkult - mit Ingrimm phantasiert Glowacki ihre perversen Auswüchse und den Untergang einer potemkinschen Gesellschaft. Der Wut zwischen den Zeilen entspricht das apokalyptische Wüten der Elemente am Ende.

Man könnte meinen, Amerika sei verdammt, wäre da nicht Kuba, der letzte Gerechte, ein Pole in New York, der vor allem eines kann: zuhören und erzählen. Womit er über das wirksamste Gegenmittel zu inhaltsloser Bildherrschaft verfügt.

Die Unterhose, die Lotterie

und das Schwein

Von Janusz Glowacki

Aus d. Poln. v. Albrecht Lempp

Skarabæus Verlag, Innsbruck 2004

160 Seiten, geb., e 19,60

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