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Jorge Bucays Weisheitsgeschichten.

Der Argentinier Jorge Bucay (geb. 1949), Psychotherapeut in Buenos Aires, hat in der spanisch sprechenden Welt in zweierlei Hinsicht einen großen Namen: erstens als öffentliche Stimme, durch seine Vorträge in Südamerika und Spanien; zweitens durch seine Bücher. Sieben von den bisher zwölf veröffentlichten sind derzeit auf spanischen Bestsellerlisten. Jetzt gibt es nach Komm, ich erzähl dir eine Geschichte die zweite deutsche Übersetzung: Geschichten zum Nachdenken.

In der Einleitung legt der seelenkundige Erzähler gleich seine Karten auf den Tisch: Wahrheiten, die derart simpel sind, dass sie häufig aus dem Blickfeld geraten. Die erste lautet: "Was ist, das ist". Die Wirklichkeit ist nicht so, wie ich sie gern hätte, wie sie sein sollte, wie man mir gesagt hat, dass sie sei, wie sie einmal war, und sie ist auch nicht so, wie sie morgen sein wird. Daraus leitet er ab: "Ich bin, wer ich bin." All unsere Neurosen beginnen, wenn wir versuchen, jemand zu sein, der wir nicht sind. Die zweite Wahrheit, die Jorge Bucay für unabdingbar hält, lautet: "Das Gute gibt es nicht umsonst." Also: Der Erwachsene muss ein für allemal die kindliche Vorstellung fahren lassen, dass ihm jemand etwas geben müsse, nur weil er es will. Als dritten Leitgedanken gibt der Autor dem Leser mit: "Es steht fest, dass man niemals all das tun kann, was man will, aber genauso steht fest, dass man niemals etwas zu tun braucht, das man nicht will." Natürlich hat Freiheit, so verstanden, ihren Preis …

Seine Erkenntnisse kleidet Bucay in Geschichten, manche mit märchenhaften Zügen, andere gleichnishaft, wieder andere realistisch: Literatur als Lebenshilfe? Da mag mancher die Nase rümpfen, mag von "falschem" Literaturverständnis" reden, von Pädagogisierung des Erzählens, ja von Naivität. In einer Gesellschaft, deren Hauptwährung die Täuschung ist - Täuschung über die innere Leere, über die Liebesunfähigkeit, über das Alter, über die Endlichkeit des Lebens -, sind Weisheitsgeschichten ein Desiderat. Jorge Bucay frömmelt nicht, stochert nicht in Wunden, verbreitet auch keinen Zweckoptimismus, sondern erreicht Prägnanz durch die Ökonomie der Mittel.

Wenige Seiten lang sind seine Geschichten, in denen er von der Habgier erzählt, von der Liebe, die den anderen erdrückt, von der Unlust, die das Aufschieben von Pflichten erzeugt, von der Überheblichkeit, vom inneren und äußeren Gerümpel, das uns zumüllt, von der Sklaverei der ständigen Zeitnot.

Ist das Erbauungsliteratur, wie sie im 18., dem pietistischen Jahrhundert, beliebt war? Man könnte sie "Spiegel-Literatur" nennen, denn der Wiedererkennungs-Effekt ist enorm. "Wenn sich ein Unwissender in der Nähe eines Wissenden aufhält, wird er selbst ein bisschen wissender." Eine naive Hoffnung?

Geschichten zum Nachdenken

Von Jorge Bucay

Aus dem Spanischen von Stephanie von Harrach

Ammann Verlag, Zürich 2006

136 Seiten, geb., 16.90 €

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