Tod eines Schriftstellers

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In Zeiten, da die "Facharbeiter des falschen Alarms" (© Peter Sloterdijk) das Sagen haben, in Zeiten aber auch, in denen der Unterschied zwischen Spaßpolitik und Rechtspopulismus mit freiem Auge kaum erkennbar ist - da ist es schier unmöglich, Auseinandersetzungen wie jene um Jürgen Möllemann oder Martin Walser einigermaßen in den Griff zu bekommen.

Mitten hinein in die Antisemitismus-Debatte rund um die deutschen Liberalen (FDP) platzte die literarische Bombe: Mit bemerkenswerter Schärfe legte Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen, dar, warum seine Zeitung Martin Walsers neuen Roman "Tod eines Kritikers" nicht im Vorabdruck publizieren werde. Bemerkenswert nicht zuletzt deshalb, weil die FAZ gewiss unverdächtig ist, überall sofort Faschismus und Antisemitismus zu orten, auch, weil Schirrmacher 1998 die Laudatio auf Walser hielt, als dieser den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegennahm.

In einer von der "Ökonomie der Aufmerksamkeit" dominierten Medienwelt wird man freilich auch den Verdacht nicht ganz los, Schirrmacher habe gerade zum richtigen Zeitpunkt (Stichwort Möllemann) mit Macht sein Feuilleton in die Schlagzeilen hineinreklamiert. Zumal in jüngster Zeit Berichte über redaktionsinterne Turbulenzen dem Ansehen der Zeitung nicht eben förderlich waren.

Gleichwohl: Mit seiner damaligen Dankesrede, von der die Schlagworte "Auschwitz als Moralkeule" und "Instrumentalisierung unserer Schande" übrig geblieben sind, hat sich Walser in die rechte Ecke der deutschen Tabubrecher gestellt. Diesen Platz wird er nun, nach dem Verdikt der konservativen FAZ, erst recht nicht mehr verlassen können.

Walser habe mit seiner Frankfurter Rede "ein Tor geöffnet", warf ihm der damalige Präsident des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, vor. Man mochte das, recht verstanden, für legitim halten. Schon damals allerdings vermisste man bei Walser die Sorge, wer und was durch dieses Tor hereindringen könnte. Der Verdacht ist geblieben, jetzt hat Walser offenkundig nocheinmal kräftig nachgelegt.

rudolf.mitloehner@furche.at

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