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Totentanz-Variation

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Helmut W1 a s a k, der soeben für weitere fünf Jahre im Amt bestätigte Intendant des Tiroler Landestheaters, hat einen sicheren Griff für lohnende Happen auf dem modernen Theatertablett entwickelt. Am Ende einer Spielzeit, in der er mit Ur- und Erstaufführungen (Walser, Ingrisch, Piran-dello) im Kiemen Haus der Innsbrucker Kammerspiele nicht wenig von sich reden machte, ließ er nun auch noch den vom Plüschsofa in eine Art geistigen Boxring transponierten „Totentanz“ von Dürrenmatt (nach Strindberg) erstmals österreichisches Rampenlicht erblicken.

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Helmut W1 a s a k, der soeben für weitere fünf Jahre im Amt bestätigte Intendant des Tiroler Landestheaters, hat einen sicheren Griff für lohnende Happen auf dem modernen Theatertablett entwickelt. Am Ende einer Spielzeit, in der er mit Ur- und Erstaufführungen (Walser, Ingrisch, Piran-dello) im Kiemen Haus der Innsbrucker Kammerspiele nicht wenig von sich reden machte, ließ er nun auch noch den vom Plüschsofa in eine Art geistigen Boxring transponierten „Totentanz“ von Dürrenmatt (nach Strindberg) erstmals österreichisches Rampenlicht erblicken.

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Der Schweizer Autor hatte, um das' reiche Arsenal dramatisierter Ehehöllen um eine besonders makabre Variante zu vermehren, nicht einmal den Griff in die Mottenkiste gescheut. Aus ihr holte er August Strindbergs abgründigen, haßtriefenden „Totentanz“ hervor, blies den Staub herunter, entkleidete ihn des Plüsches und bauchte dem solcherart auf seine nackte Story reduzierten Dreiecksgerippe neuen Kampflgeist und viel schwarzen Humor ein. Und mit dem Ertönen eines häßlich scheppernden Gongs beginnt ein in seiner Häßlichkeit schon wieder fesselnder Boxkampf über zwölf Runden, bei dem es schaurig viel zu lachen gibt. Das Ergebnis ist insofern unzünftig, als niemand k. o. geht, sondern alle Beteiligten irgendwie gewinnen: Strindberg redivivus nicht weniger als Dürrenimatt, der Lebensretter. Und gar die Innsbrucker Kammerspiele, die es sich als erste Quartiergeber nach der Basler Uraufführung angelegen sein ließen, aus „Play Strindberg“ einen handfesten Theaterabend zu machen.

Peter Mühlers Bühnenbild macht die Metamorphose optisch sichtbar, apostrophiert Strindberg-Schnörkel mit unbarmherzig-kaltem Scheinwerferlicht. Regisseur Siegfried Süßenguth läßt die drei Akteure mit scharfgeschliffenen Waffen kämpfen, distanziert sich aber doch soweit vom Ton eiskalter Artistik, daß das Publikum nicht völlig verschreckt wird. Die Mimen praktizieren verschiedene Härtegrade multilateraler Seelenfolterung: Bösartig-verschlagen, dümrnlich-aufgeblasen, affektgestaut in wütender Hilflosigkeit, grantelt und gröbst, röchelt und lallt Theo Frisch-Gerlach den Edgar über die Rampe, Haß- und Racheobjekt seiner Eheliebsten. „Stirb erst mal, dann nehmen wir dich ernst“, flötet die Traute. Aber Ewa Petrus als Alice ist keine keifende Xanthippe, Gott bewahre. Sie spritzt ihr Gift mit Anmut, verwundet schneidend, aber attraktiv. Das Dreieck komplettiert Kurt, der charmante Gangster. In der Tat gibt ihm Volker Krystoph noch etwas Gewinnendes, einen Zug menschlicher Wärme. Ein Hoffhungsschimmer. Doch er trügt

Sogar das, Bett kühlt, wieder aus. Denn Liebe hat keine Chance in der Hölle, und aus ihr führen keine Türen ans Licht. Eine böse, eine triste Sache.

Was die Zuschauerzahlen betraf, so war der Vergleich mit dem Boxring doch etwas hinkend. Der Saisonschluß gähnte durch die Reihen. Die Spärlichen aber gingen ganz mit, ließen die Gelegenheiten, sich aus ihren BeMemmungen freizulachen, nicht ungenutzt und applaudierten eifrig.

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