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Triumph der Unterlegenheit

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DIE FAHRTEN BINJAMINS DES DRITTEN. DIE MÄHRE UND SCHLOIMALE. Von Mendele Moicher Sturim, Werke II. Drei Romane. Aus dem Jiddischen von Efraim Frisch (1) und Salomo Birnbaum (2, 3). Walter-Verlag, Ölten und Freiburg im Breisgau, 1962. 419 Seiten, Preis 19.80 DM.

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DIE FAHRTEN BINJAMINS DES DRITTEN. DIE MÄHRE UND SCHLOIMALE. Von Mendele Moicher Sturim, Werke II. Drei Romane. Aus dem Jiddischen von Efraim Frisch (1) und Salomo Birnbaum (2, 3). Walter-Verlag, Ölten und Freiburg im Breisgau, 1962. 419 Seiten, Preis 19.80 DM.

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im Herbst 1961 wurde der Klassiker und „Sejde“ der jiddischen Literatur, Mendele Moicher Sfurim (1837 bis 1917), vom Walter-Verlag mit dem Band „Fischke der Krumme“ und „Der Wunschring“ vorgestellt. Fand man die beiden Romane aus dem ostjüdischen Alltag in ihrer Herbheit und in ihrem bitteren Humor unendlich beseelt, rührend und weise, so reißt nun der zweite und letzte Band der erzählenden Schriften Mendeles weit essentiellere Schichten jüdischen Geisteslebens auf.

Mendele, der Wanderbuchhändler, fabu Iiert auch hier wortselig und kunterbun durcheinander Alltägliches, Wunderbare; und Unscheinbares in stetem Wechsel vor Aktion und Reflexion; der Gattungsbe griff Roman ist auf diese wuchernde Prosa nur bedingt anzuwenden. Doch hinter den Legenden des Alltags und dei Ausbruchsversuche in Traum oder Welt hinter der äußeren Chronik aus den vorigen Jahrhundert, zeichnet sich dii innere Chronik des ewigen Schicksals unc Leidensweges eines ganzen Volkes ab.

„Die Fahrten Binjamins des Dritten“ der mit seinem wunderlichen Kumpar „bis zu dem Bergen der Finsternis“ vordringt, ist ohne Zweifel der dichteriscl größte und einheitlichste 'Wurf, eir jüdischer Don Quichote, voll von Unschuld und Abgrund, Hausbackenheit unc Dämonie.

„Die Mähre“, „diese Zaubergeschichte aus Mendeles Poetenkiste“ und seir seherisches Schlüsselwerk, ergreift an: tiefsten. Ein überreich phantasiebegabtei Junge erlebt in einem fiebrigen Lebenstraum die Mähre als ein Gleichnis de; jüdischen Menschen. Vom Himmel durch die Welt zur Hölle werden wir Zeugen der großen Verfinsterung, der Verirrun-gen, Verfolgungen, des Wahnes und des tausendfachen Mordens, bei dem Gott (jedesmal wieder) von Satan erbittet: „Satan, tu meinem Hiob, was du willst, schlage, quäle, peinige, martere seinen Leib, aber rühre nicht an seinen Geist, an seine Seele!“

Stark autobiographischen Charaktei dürfte wohl „Schloimale“ haben, der Bil-dungsroman eines begabten, gefährdeten Knaben. Jüdisches Familienleben, Schul-und Studienwesen wird hier in Jean Paulscher Breite und Verzweigtheit ausgesponnen. Alle drei Romane durchzieht als Grundakkord die Suche nach einem sinnreichen Leben, nach der Harmonie von Mensch, Gott und Natur. Noch durch die Übertragungen ins Deutsche hindurch spürt man das Besondere des jiddischen Idioms, was die Tatsache erleichtern mag, daß die Basis des Jiddischen ja das Deutsche ist.

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