Hollywood - © Foto: iStock / Magu Directors

Umgeschriebenes Leben ohne Originalfassung

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Anne Enrights neuer Roman handelt von einem Hollywood-Star, einer komplizierten Mutter-Tochter-Beziehung und einer stationenreichen Reise in die Vergangenheit.

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Anne Enrights neuer Roman handelt von einem Hollywood-Star, einer komplizierten Mutter-Tochter-Beziehung und einer stationenreichen Reise in die Vergangenheit.

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Spätestens seit ihrem mit dem Booker Prize ausgezeichneten Roman „Das ­Familientreffen“ (2007) zählt die irische Autorin Anne Enright zu den Experten, wenn es darum geht, familiäre Konstellationen und ihre Abgründe zu beschreiben. Von den fragilen Beziehungen von Müttern und Töchtern handelten ihre Bücher bereits mehrfach, doch in ihrem neuen Roman „Die Schauspielerin“ spitzt Enright das Thema insofern zu, als dass das beschriebene Verhältnis eines ist, das sich in weiten Teilen unter den Augen der Öffentlichkeit abspielt. Denn die knapp sechzigjährige Ich-Erzählerin, die Schriftstellerin Norah, versucht – sich erinnernd und recherchierend – ­ihrer ein Vierteljahrhundert zuvor verstorbenen Mutter, der berühmten Schauspielerin Katherine O’Dell, nachzuspüren. An gedruckten und kolportierten Meinungen über diese 1928 geborene und 1986 gestorbene Frau mangelt es nicht – umso schwieriger für Norah, hinter die vielen Fassaden zu blicken.

Von Beginn an verstand es Katherine, von sich ein medienwirksames Bild zu schaffen – eines, das mit der Wirklichkeit nur manchmal übereinstimmte. Als sie in den 1950er Jahren am Broadway und in Hollywood eine staunenswerte Karriere macht, gilt sie mit ihren roten Haaren und ihrem aparten Akzent als Vorzeige-Irin, als „irischste Schauspielerin aller Zeiten“. Dass das ein zurechtfrisiertes Image und eine Täuschung ist, wissen nur wenige. Denn Katherine, im Londoner Stadtteil Herne Hill geboren, kam erst als ­Teenager nach Irland – Teil einer großangelegten Fiktion: „Meine Mutter hatte ihre Kindheit umgeschrieben und dann die Originalfassung verloren.“

Fiktives und reales Figurenpersonal

Anne Enrights Roman beschreibt ­eine komplizierte Suche. Während alle Welt von Norah nur wissen will, wie es war, die Tochter einer Starschauspielerin gewesen zu sein, bleibt Katherine für sie erst einmal nur ihre Mutter. Eine freilich, die ihrer Tochter das Leben nicht einfach machte und den Namen des Vaters nie preis­gab. Norah begibt sich folglich auf eine stationenreiche Reise in die gemeinsame Vergangenheit. Sie durchforstet Pressearchive, und sie fährt nach London, um der verschwiegenen Herkunft der Mutter nachzuspüren.

Der Roman springt in der Chronologie hin und her, was ihm konzeptionell nicht unbedingt bekommt. Die vielen Zeiten- und Personenwechsel führen dazu, dass er an Spannung verliert und gelegentlich ins Leere läuft. Katherine ist eine fiktive Figur, doch Enright bindet diese in ein Geflecht von real existierenden Gestalten ein. So treten in Nebenrollen der legendäre Shakes­peare-Darsteller Anew McMaster, der Regisseur Orson Welles oder der Dichter Stephen Spender auf und lassen Katherine O’Dell allmählich zu einer Schauspielerin werden, die man meint, in ihren großen Rollen real gesehen zu haben.

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