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Martha Dodds "Jahre in Deutschland 1933-1937" bietet keine Analysen, sondern wohlformulierte Fehlwahrnehmungen.

Dieses Buch hat lange auf seine deutsche Ausgabe warten müssen - immerhin 66 Jahre. Martha Dodd, die Tochter des amerikanischen Botschafters William E. Dodd, verbrachte vier Jahre in Nazideutschland, von Juli 1933 bis zur Abberufung des Vaters im Dezember 1937. Vier Jahre, in denen Martha Dodd ihre Eindrücke von Deutschland gesammelt und mit für den heutigen Leser überraschender, zum Teil verstörender Naivität niedergeschrieben hat. Erschienen ist ihr Bericht im Frühjahr 1939 erstmals unter dem Titel "Through Embassy Eyes" in den usa. In Frankreich erschien das Buch im Januar 1940 - nur wenige Monate vor der Besetzung durch Nazideutschland. Und 1946 veröffentlichte der Verlag der Sowjetischen Militärverwaltung in Ost-Berlin eine stark gekürzte und zensierte deutsche Fassung. Im Eichborn-Verlag ist das Buch jetzt erstmals in vollständiger deutscher Übersetzung erschienen.

Entsprechend stolz ist man dort auf dieses Buch und lobt es als "ein faszinierendes, zugleich sehr privates und zeithistorisches Dokument, das dem Leser eine einzigartige, persönliche Innenansicht des Dritten Reichs bietet". Genau das aber ist auch das Problem dieses Buches: dass es vor allem persönliche Innenansichten einer Frau beinhaltet, die mit Politik praktisch nichts am Hut hatte. Als die damals 24-jährige Martha nach Deutschland kam, suchte sie nicht das politische, sondern das historische Deutschland der Dichter und Denker.

Mit Politik nichts am Hut

Mit ihren Berichten wollte die junge Martha Dodd vor allem ihr schriftstellerisches Talent beweisen. So bietet ihr Buch auch keine echten Analysen, sondern lediglich wohlformulierte und pointierte Beobachtungen. Umso fragwürdiger ist es daher, warum der Verlag auf eine Kommentierung der Aufzeichnungen verzichtet hat. Denn Dodds Beschreibungen sind zum Teil grobe Fehlwahrnehmungen, beispielsweise wenn sie vor allem den Terror für die breite Zustimmung in der Bevölkerung verantwortlich macht. Dass sich viele, wenn nicht sogar die meisten Deutschen, mit zentralen Inhalten der nationalsozialistischen Politik identifizieren konnten, gerät völlig aus dem Blick.

Interessant aber ist ihr Buch dennoch. Ganz unverblümt gibt Martha Dodd zu, dass auch sie anfangs von der Massenbegeisterung für Hitler mitgerissen wurde. Im August 1932 aber sollte sie in Nürnberg erleben, wie eine Frau mit kahl geschorenem Kopf und einem Schild um den Hals "Ich habe mich einem Juden hingegeben" von einer johlenden Menge durch die Straßen getrieben wurde. Dennoch pflegte Martha Dodd weiter engen Kontakt zu Nazi-Größen wie Rudolf Diels, dem ersten Chef der Gestapo, und Ernst Hanfstaengl, dem Leiter des Auslandspresseamts der nsdap. Allerdings zählten auch Gegner des Regimes zu ihren Freunden, so etwa Mildred Harnack von der Widerstandsgruppe "Rote Kapelle", die später mit ihrem Mann Arvid hingerichtet werden sollte.

Mit dem russischen Diplomaten Boris Winogradow hatte Martha Dodd eine leidenschaftliche Affäre. In dieser Zeit begann sie auch Informationen an die Sowjets weiterzugeben.

Ambivalente Mischung

Am Ende präsentiert sich das Buch als ambivalente Mischung aus naiven Beobachtungen und scharfsichtigen Prognosen: "Wenn wir nicht ein für allemal als amerikanische Nation beschließen, dass es so etwas wie Isolation nicht geben darf und kann, wo die Nationen der Welt doch direkt vor unserer Tür stehen - dann werden wir zu spät erkennen, dass wir unseren Kampf gegen den zerstörerischen Geist des internationalen Faschismus fast allein führen, sicher nur unterstützt von Russland."

Meine Jahre in Deutschland 1933 bis 1937. Nice to meet you Mr. Hitler

Von Martha Dodd

Eichborn-Verlag, Frankfurt 2005

446 Seiten, geb., e 25,60

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