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Von Lear bis London

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Evelyn Lear, als „Lulu“ in Alban Bergs Oper berühmt und bewundert, widmete ihren Liederabend Gesängen von Richard S t r a u s s. In den Reigen der bekannten flocht sie eine ganze Reihe wenig gesungener Lieder des Meisters und schuf mit den „Ophelia-Liedem“ sogar ein einzigartiges Erlebnis. Die verhaltene Dramatik, das lyrische Ausströmen, die jeder Schattierung gehorchende Stimme mit ihrer technischen wie ausdrucksmäßigen Sicherheit, durch die Persönlichkeit ins Einmalige eines jeden Liedes überhöht, sichern der Künstlerin auf dem Konzertpodium den gleichen Rang wie auf der Bühne. Die musikalische Substanz der (16) Lieder ist vom Gedicht (und vom Dichter) her befruchtet. (Shakespeare, Brentano, Heine.) Als ebenbürtiger Gestaltungskünstler wirkte Erik W e r b a am Klavier.

Irmgard S e e f r i e d sang „Märchen und kleine Geschichten“, deren Hauptgewicht auf der „Kinderstube“ von Mussorgsky und dem „Märchen vom häßlichen Entlein“ von Prokofieff lag. Die einfache Art ihres Singens wird durch unwiderstehliche kleine Gestik zu unmittelbarer Wirkung gebracht. Tiefer ins Gemüt reichte Gustav Mahlers „Wo die schönen Trompeten blasen“. Um diese Geschichten reihten sich Lieder von Gluck, Mozart, Schumann, Schubert, Grieg und Hugo Wolf. Der befreiende Ausklang (und spontanste Erfolg) wurde mit der ersten Draufgabe, dm „Männer .suchen stets zu naschen“ von Mozart erreicht. Das war echteste Seefried. Auch hier war Erik W e r b a mit seiner Begleitkunst am Werk.

Er war es auch bei dem einzigen Liederabend moderner Komponisten, dem von Emmy Loose, die Lieder von Schönberg, Webern, Berg, Einem, Apostel, Schollum und Krenek sang; ein Programm, für das wir besonders danken, auch wenn es nicht so erfolgsicher war wie bewährtes, altes Liedgut. Die frühen Lieder von Arnold Schönberg und Alban Berg wachsen aus einem romantischen Grundgefühl in neue Musikbezirke hinein, die später in der Dodekaphonik feste Ordnung fanden, wie sie in den zwei Liedern

für Gesang und Flöte von Hans Erich Apostel sich wieder in Freiheit zu wirklichen Tongedichten gestaltet. Auch der „Monolog der Stella“ von Ernst Krenek ist ein Frühwerk des Komponisten, der sich seither weit stärker profiliert hat. Gottfried von E i n e m s Lieder aus den „Japanischen Blättern“ sind kleine Stimmungsmalereien apart-persönlicher Handschrift. Letztere fehlt leider den „Kinder-reimen“ von Robert Schollum. Nach wie vor umstritten und sehr geteilt in ihrer Aufnahme bleiben die Drei Lieder von Anton Webern (Text von Hildegard Jone). Emmy Loose, teilweise von Robert Schollum und Camillo Wanausek (Flöte) begleitet, wurde dem äußerst anspruchsvollen Programm vor allem gesanglich gerecht, was dieser Musik leider selten zuteil wird, obwohl sie es ebenso wie jede andere verdiente. F. K.

George London, der beliebte und gefeierte Opernsänger, zählt heute, als etwa Vierzigjähriger, zu den wenigen großen Liedinterpreten. In seinem Konzert im Theater an der Wien konnte man sich erneut davon überzeugen. Die Variabilität des Ausdrucks und der verschiedenen Techniken reichte von Mozartschen und Rossinischen (Zueabe) Konzertarien über Schuberts hochromantische Heine-Lieder bis zu den gefälligen hispanisieren-

den Chansons des Don Quichotte von Jacques I b e r t, die dieser 1933 für Schaljapin schrieb (der sie, wenn wir uns recht erinnern, auch in dem bekannten Tonfilm sang) und bis zu M u s s o r g-s k y s balladenhaften „Liedern und Tänzen des Todes“, die 1875 bis 1877 auf Gedichte des jungen Grafen Golenitschew-Kutusow komponiert wurden. Die Zugaben ergänzten das Bild: russische Salonmusik (Rubinstein) und Spirituals werden von George London ebenso virtuos und stilecht interpretiert wie die anspruchsvollen Zyklen des Hauptteils: von einem Liedersänger mit Intelligenz, künstlerischem Ernst und im Vollbesitz einer wohlklingenden flexiblen Stimme (die gegenwärtig zum lyrischen Bariton neigt), samt der dazugehörigen Technik. Das Publikum im ausverkauften Theater an der Wien war begeistert und spendete auch dem vorzüglichen, gleichfalls in allen Sätteln gerechten Dr. Erik W e r b a langanhaltenden und herzlichen Beifall.

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