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Andrea Camilleri erzählt von seiner Insel.

Im April 2003 hat sich die kleine Hafenstadt Porto Empedocle im Südwesten Siziliens den Zusatznamen "Vigàta" gegeben. In Porto Empedocle wurde 1925 der Autor Andrea Camilleri geboren. Vigàta heißt die fiktive Stadt, in der Camilleris bisher zwölf Kriminalromane spielen. Ihr reales Vorbild Porto Empedocle ist so gut erkennbar und Camilleris Kriminalromane sind in Italien, aber auch in den USA und Großbritannien so beliebt, dass sich die Bürger mit der Namenserweiterung einen Touristenzustrom erhofften. Einem realen Ortsnamen den von einem Autor erfundenen hinzuzufügen, zeugt von Leselust verbunden mit Geschäftssinn und Humor.

Diese Eigenschaften zeichnen auch Camilleris deutschen Verleger Klaus Wagenbach aus. Italien im Wagenbach Verlag füllt bereits eine kleine Bibliothek. Eine besondere Liebe verbindet den Verleger mit Sizilien; davon zeugen Übersetzungen der Werke von Leonardo Sciascia, Gesualdo Bufalino, Elio Vittorini, Pirandello, Giuseppe Tomasi di Lampedusa - und Camilleri.

Die Übereinstimmungen zwischen dem linken Klaus Wagenbach und dem einstigen Kommunisten Camilleri können nicht auf politisches Gleichdenken reduziert werden. Das beweist das neueste der eleganten in rotes Leinen gebundenen Bücher: Eine von Klaus Wagenbach getroffene Auswahl der schönsten Geschichten aus Sizilien von Andrea Camilleri.

Runde Gestalten

Nicht alle der zwölf Kurzgeschichten haben Inspektor Montalbano zum Helden, aber die besten. Auch hier ist ein sprechender Name im Spiel. Der heute in Rom lebende Camilleri berichtet, dass er den spanischen Autor Vazquez Montálban (gest. 2003) nicht persönlich gekannt habe, doch habe ihm die Lektüre eines Romans von Montálban die Augen geöffnet, wie man überhaupt Kriminalromane schreiben könne. Zum Dank nannte er seinen wiederkehrenden Kommissar Montalbano, ein Name, der in Sizilien verbreitet ist. Camilleri, der vom Theater kommt, weiß, dass eine Gestalt, die von den Lesern angenommen werden soll (10 Millionen verkaufte Bücher!), "tutto tondo" sein muss, ganz rund, körperlich präsent und mit einer glaubwürdigen psychologischen "Physiognomie", ausgestattet mit Eigenheiten, zum Beispiel Flugangst, und einer Leidenschaft für Meeresfrüchte. Der Siegeszug dieses Inspektors begann 1994, und obwohl Kritiker seinem Schöpfer vorwarfen, er stricke nach dem immer gleichen Muster, wird er geliebt. Er spricht nämlich die Sprache des Volkes, einen reizvollen sizilianischen Kunstdialekt, womit die Schwierigkeit des Übersetzens klar wird. Dennoch bleibt auch dem deutschen Leser genug an Komik und an Einsichten in eine Mentalität, die fremd, ja exotisch wirkt.

Besuch der Toten

Der Müdigkeit des uralten sizilianischen Adels, der in Gestalt des Fürsten in Lampedusas "Leopard" über den eigenen Untergang philosophiert, stellt Camilleri die ebenso beeindruckende Weisheit und Schlauheit einfacher Menschen gegenüber. Und ein Sizilien, das wie andere Randgebiete Eigenheiten lang bewahren konnte, etwa den Brauch, dass in der Nacht vom 1. auf den 2. November jedem sizilianischen Haus, in dem ein Kind lebte, von vertrauten Toten ein Besuch abgestattet wurde.

Die lieben Verstorbenen versteckten in einem Korb Süßigkeiten und kleine Geschenke, und am folgenden Tag fragten die Kinder einander: "Was hast du von den Toten gekriegt?" Sie erwiderten den Besuch der Toten mit einem Gang auf den Friedhof. "Dann kam 1943 mit den amerikanischen Soldaten auch der Christbaum, und die Toten fanden im Lauf der Jahre immer seltener den Weg in die Häuser, in denen glückliche Kinder oder Enkel krampfhaft versuchten, wach zu bleiben, und auf sie warteten. Schade."

Der Hirtenkönig. Die schönsten Geschichten aus Sizilien

Von Andrea Camilleri.

Diverse Übersetzer. Zusammengestellt von Klaus Wagenbach

Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2007

96 Seiten, geb., € 14,30

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