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WENN JUNGGESELLEN ALT WERDEN

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„Junggeselle“ — mit leisem Neid, Sehnsucht, etwas Reue und doch auch schon Verständnislosigkeit sprechen Ehemänner dieses Wort aus. Ein Junggeselle? Das ist doch dieses begnadete Geschöpf, das auf freier Wildbahn umhergaloppieren kann, bald am Neckar, bald am Main grasend, ungebunden, unverbindlich. Ein Junggeselle kann noch über Schwiegermutterwitze mit ungezwungener Herzlichkeit lachen. Er kann, wenn er Geld und entsprechendes Aussehen hat, die Begleiterinnen wechseln wie Hemden, indem er jeweils überlegt, welche wohl am besten zu dem Anzug paßt, den er heute zu tragen beabsichtigt.

Mütter und Töchter stellen ihm Fällen,und legen Schlingen aus, aber ein routinierter Junggeselle hat gelernt, den Köder wegzunaschen und doch den Fangeisen zu entgehen. So wird er bewundert und beneidet, angehimmelt und verfolgt — bis eines Tages jemand im Gespräch über ihn sagt: „Na, eben ein alter Junggeselle…"

Damit ist der Zauber schlagartig gebrochen — und das hat mit seinem fatalen Klange das Adjektiv „alt“ getan. Die Sprache, sonst gewiß nicht immer ein Hort der Logik, ist hier von eherner Unerbittlichkeit: der Gegensatz, der in „alter Jung-Geselle“ steckt, wird an dem damit bezeichneten Wesen unnachsichtlich gerächt. Wo der junge Junggeselle bewundert und umschmeichelt wurde, da wird der alte Junggeselle gelästert und verhöhnt. Wo jenem alles gestattet war, wird bei diesem jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Und der stille Neid wird fast über Nacht zur — etwas weniger stillen — Verachtung.

Die ahnungslosen Junggesellen werden von dieser Entwicklung wie vom Blitz getroffen. Sie wissen nicht, wie ihnen geschieht. Sie fühlen sich wie ein Salonlöwe, der unversehens in einen Straßenköter verhext wurde. Tatsächlich werden sie nicht nur nicht mehr bewundert, sondern sogar nicht mehr gefürchtet. Ehemänner mit hübschen Frauen rufen ihnen ein herablassendes „Na, wie geht’s“ zu und die Mütter mit heiratsfähigen Töchtern stellen keine Fallen mehr auf. Zumindest tun sie keinerlei Köder mehr hinein.

Junggesellen mit auch nur einigermaßen schwachen Nerven (und 15 bis 20 Jahre Junggesellentum ist aufreibend!) brechen daraufhin eines Tages zusammen und nach mehr oder minder langem Todeskampf werden sie schließlich am Standesamt in die ehrsame Gilde der Ehemänner aufgenommen. Verspätet zwar, aber es ist ja nicht nur im Himmel mehr Freude über einen Sünder, der Buße tut…

Die restlichen Junggesellen, die nunmehr ganz eindeutig „alten Junggesellen“, werden erbarmungslos aufgerieben. Die Statistiken der Lebensversicherungsanstalten beweisen eindeutig, daß sie kürzer leben und ihr verspäteter Annoncenruf nach einer „Witwe mit sonnigem Gemüt“ verhallt meist ungehört. Denn wie jedermann — und vor allem jede Frau — weiß, ist ein alter Junggeselle eine Geißel Gottes, voll Verschrobenheiten und lästigen Gewohnheiten, nörglerisch und egoistisch. Über dem einst fruchtbaren Boden seines Herzens liegen Schutt und wachsen Brennesseln.

Einigen ganz wenigen Junggesellen gelingt es, statt zu Straßenkötern zu greisen Löwen zu werden. Zu markanten alten Herren mit weißen Mähnen und untadeligen Formen. Auch sie sind „alte Junggesellen“, aber es wird niemandem einfallen, sie im Ernst so zu nennen, denn sie sind, aus bewunderten nicht zu mißachteten Altgesellen, sondern unmittelbar zu verehrten Altmeistern geworden.

Es ist dies jedoch ein seltenes Wunder, und Junggesellen tun gut daran, nicht darauf zu hoffen. Es ist kaum einer unter hundert, dem diese Wandlung gelingt.

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