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Wider den Krieg

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Ein erstaunliches Kriegsbuch oder besser Antikriegsbuch. Hier wird gründlich aufgeräumt mit der Legende von „den schönsten Jahren unseres Lebens”. Dabei zetert Schuster nicht etwa über den Krieg. Er zeigt uns lediglich sein furchtbares Gesicht und seine zerstörende Kraft, die den Menschen überwältigt und verschlingt. „Was hat der Krieg aus diesen jungen Menschen gemacht, dachte der Spieß. Wie viele von ihnen finden sich nachher nicht mehr zurecht…”

Die Handlung ist denkbar einfach. Zwei Tage aus dem Leben einer Sturzkampffliegerstaffel während des Rückzugs im Osten — Angriffe auf eine russische Artilleriestellung und einen Bahnhof —, das sind die äußeren Geschehnisse. Aber auf sie kommt es Schuster nicht so sehr an; wichtig sind ihm die Menschen, die diese Taten zu verrichten haben. Der Haufen zufällig zusammengewürfelter Männer, deren Kameradschaft sich in dem ihnen aufgezwungenen Handeln bewährt, und nicht einmal immer da. Es gibt auch Ueber- legungen wie diese:

„Ein Idiot führt, andere Idioten hängen neben ihm. Selbst ein Idiot. Schwenk links, schwenk rechts, drück die Maschine an, zieh sie hoch. Nicht zu viel! Dein Hintermann reagiert nicht so schnell. Vielleicht schläft er auch mit offenen Augen. Richte dich nach ihm. Richte dich nach allen. Wy ist der freie Wille? Kroll, Glied der Gemeinschaft. Die Gemeinschaft ist ein dickbäuchiger Götze, nabelstrotzend und grinsend. Er hockt auf deinem Nacken und drückt dich zu Boden. Du bist nichts! Wollen sehen, ob ich nichts bin, dachte er. Eines Tages bin ich vielleicht eine Flamme. Die Flügel bersten, die Motoren verglühen, und die Munition verpufft in einem sprühenden Feuerwerk.”

Aber auch diejenigen, die nicht soviel denken, haben kaum persönliche Beziehungen zueinander; es reicht gerade noch dazu, einander zu ertragen. Wie werden Menschen fertig mit einem solchen Leben? Die einen ersäufen ihre Angst oder betäuben sich sonstwie. Die anderen grübeln über den Sinn des sinnlosen Geschehens, über das Leben, über Gott und über den Tod, der immer nahe ist. Aber, was immer -sie auch bedenken, es gibt keine Resultate, die aufgehen.

Das ist nun das Merkwürdige! Schuster entlarvt doch unmißverständlich das wahre Gesicht des Krieges und zeigt ohne Beschönigung, was er aus den Menschen macht. Da wird sogar der Glaube zerstört, daß elementare Erlebnisse, durch die Erschütterung, die sie auslösen, schließlich auch die guten und großen Möglichkeiten und Fähigkeiten den Menschen in Fluß bringen müßten. Der Krieg, wie wir ihn hier erleben, versperrt den Menschen den Zugang zum normalen, schlichten, einfachen Leben; nimmt ihnen ihre Vergangenheit und ihre Zukunft; läßt ihnen nur die mörderische Aufgabe des Tages.

„Der beste Töter ist der größte Mann … Wir bringen uns gegenseitig um, aber wir halten das Unheil nicht auf, wir vermehren es noch …

Nein, beschönigt wird hier wahrhaftig nichts! Und doch bewirkt der Autor, daß wir in jedem einzelnen dieser kleinen Fliegergruppe die arme, geschundene Kreatur erkennen, die wir lieben müssen in ihrer Unzulänglichkeit und Ausgesetztheit. Er zieht uns so tief hinein in das unheilvolle Geschehen, daß wir zu Mitleidenden werden.’

Man muß Schuster dankbar sein, daß er sich Zeit gelassen hat für dieses, sein erstes Buch; er wird immerhin schon 38 Jahre alt. Sein Zwwarten hat sich gelohnt, er legt nun gleich ein in menschlicher und literarischer Hinsicht reifes Werk vor.

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