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Künstlerhandschriften

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Die Akademie der bildenden Künste zeigt in ihrer Bibliothek eine umfangreiche Sammlung von Künstlerautographen der letzten zweieinhalb Jahrhunderte; Künstler wie Kunstfreunde werden in ihr viele Anregungen finden.

Audi ohne graphologisch geschult zu sein, weiß man, daß sich im Schriftbild der Stil einer Zeit genau so deutlich ausdrückt wie im Kunstwerk oder der Mode; eine typische Barockschrift unterscheidet sich von einer modernen nicht weniger als ein Barockschloß von einer Fabrik. Nun hiinterläßt aber auch der persönliche Stil des Künstlers Spuren in seiner Handschrift — oft genug scheint es sogar, als hätte es der eine oder andere Maler oder Bildhauer geradezu darauf abgesehen, seinen Briefen künstlich und mit Bedacht die Charakteristika oder auch Übertreibungen des Stils seiner Schrift auf zu pfropfen. Dementsprechend kann man in dieser Ausstellung recht gut zwei Klassen von Schriften unterscheiden: ungezwungen dahinfließende und bewußt geformte. Beide sind, oft entgegen dem Willen ihrer Urheber, aufschlußreich.

In die erste Klasse fiele etwa die Petition Scheffer von Leonartshoffs um Gewährung eines Italienaufenthalts einer Krankheit halber. Form und Inhalt dieser Schrift sind wie ihr Inhalt, sind wie die Bilder dieses Künstlers- freundlich, sympathisch und ein wenig kränklich. Kräftiger sind die Autographen der Akademieprofessoren der letzten Barockjahrzehnte, ungezwungen auch die der Biedermeiermaler, die wie Michael Neder gelegentlich in ihren Briefen in unverfälscht wienerischen Tonfall geraten. Um die Jahrhundertwende hingegen wiegen schon die geformten Autographen vor; der Jugendstil verschonte auch die Schriften nicht, wofür die Postkarten der Mitglieder des „Siebner-Clubs“, der Vorhut der späteren Wiener Sezession, amüsante Beispiele bieten. Auch Schiele neigte zur stilisierten Handschrift, zu spitzen, gotischen Lettern, die eine gewisse Neigung zum Effekt nicht verleugnen, ebensowenig wie die pompösen Schwünge, die Hanak aufs Papier warf.

Hingegen überraschen die Handschriften der Späteren, russischer Abstrakter oder deutscher Expressionisten, durch ihre Sachlichkeit. Sie könnten von Wissenschaftlern stammen und zeigen die Kälte, die wir manchmal an den Werken jener Zeit verspüren.

Am reizvollsten sind wohl die Autographen der großen Zeichner. Sie nehmen eine Sonderstellung ein; ungezwungen und ungeformt werden die Buch’taben von Kubin oder Klimt auf das Papier hingeworfen, ohne Rücksicht auf Lesbarkeit, nur auf die graphische Wirkung bedacht: gezeichnete, nicht geschriebene Schriften.

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