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Misere einer Epoche

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EIN TRAUMSPIEL. Von August Strindberg. 104 Selten. — STIENZ. LAPP- SCHIESS. Von Hens Günther Mlchelsen. 155 Selten. Beide Suhrkemp-Vetleg, Frankfurt em Mein, 1963. Preis je Band 8 DM.

Die Lektüre Strindbergs zeigt, daß die Misere des Theaters nicht von heute ist. Ein Stück wie sein Traumspiel, vollgepfropft mit der Scheinproblematik bürgerlicher Ver- krampftheit und Enge, trägt mit seinem verbohrten Leid und seiner verschlossenen Freude bereits die Verwesung in sich. Es ist eine eigene Blindheit, mit der Strindbergs Zeit geschlagen war, und also hatte er keine größere Aussicht, als günstigenfalls Fragmente zu sehen. Dėr Verdacht, daß alles ganz anders sei, verdirbt die Handlung zur Farce. Wenn zuwenig auf der Bühne steht, wenn’s für ein Schauspiel nicht reicht, wenn nichts unter die Haut geht, so mag das auch ein wenig am AutOr liegen; zum überwiegenden Teil liegt es an seiner Zeit, seinem Stoff.

Hans Günther MichelSen, ein 1920 geborener Autor, veröffentlicht zwei Stücke im Suhrkamp-Verlag. Stienz, ein Spiel der verarmten Möglichkeiten, zeigt gerade so viel innere Spannung, daß das Ausbrechen großer Teile in eine ungewollte, wiewohl herausgeforderte Lächerlichkeit auffällt. Lappschieß hält eine verhaltene innere Spannung ebenfalls nicht ganz durch, sie regt sich jedoch stets von neuem. Sehr einnehmend die Art, wie das Stück aus wilder Wurzel, aus dem Boden des Volkes, treibt. Ein erfrischender Zug Komödiantentum blitzt an verschiedenen Orten auf, doch dann wirkt wieder vieles merkwürdig starr, gebaut und zurechtgeklopft. Dieses Konstruieren scheint jedem modernen Stückeschreiber ein besonders drängendes Anliegen zu sein, was allerdings mehr handwerklichen Zunfteifer als Kunstfertigkeit verrät. Wenn in einem Stück kein Leben steckt, können Tod und Bedrängnis nicht sonderlich rühren, Menschen sieht man ohnedies keine vor sich, und das Schicksal von Marionetten ist einerlei und kann es bleiben.

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