6784385-1970_06_12.jpg
Digital In Arbeit

Opa ist kein Kostverachter

Werbung
Werbung
Werbung

DER GOLDDURCHWIRKTE SCHLEIER. Von Manfred Hausmann. S. Fischer Verlag, Frankfurt 1969. DM 12.-^.

Manfred Hausmann, Jahrgang 1898, ist Humanist. Er weiß also was er seiner an klassischen Vorbildern in der wilhelminischen Ära geläuterten Erziehung schuldig ist. Er verfügt überdies über gründliche Kenntnisse in der griechischen Literatur. Schon 1937 — das tausendjährige Reich ging eben in sein viertes Lebensjahr — brachte er einen Band Erzählungen mit dem Titel „Demeter“ heraus. Diesmal geht es ihm weniger um die Mutter der Persephone als um den Sohn der Aphrodite. Eros regiert mit Pfeil und Bogen die Distichen, in denen Manfred Hausmann unter dem

Titel „Der golddurchwirkte Schleier, Gedichte um Aphrodite“ sich der Mühe unterzieht, „den leuchtenden wie den verdunkelten Zauber der sinnenhaften Liebe darzutun und zu preisen“. Auf das „Dartun“ kommt es an. Es wird viel „dargetan“, wer die ars amatoria noch nicht perfekt beherrscht kann manches dazuler-nen.

„Abel mit der Mundharmonika“ (1931) war von der Liebe zu Corinna enttäuscht und fuhr mit seinem Freund Peter wieder aufs Meer hinaus, weil sie noch gar nichts voneinander gehabt hatten“. Heute haben die Liebenden viel voneinander, und Manfred Hausmann versteht das „darzutun und zu preisen“. Natürlich geschieht das nur in den allerfein-sten Ausdrücken. „Höfe von bräunlichem Rosa“ kennzeichnen die Brust der Freundin und der „Tupfen des Schoßes“ hat nur „schattenhaftes Gewicht“. Niemand wird die Darstellung eines späten Liebesfrühlings ärgerlich finden. Man denke an die Marienbader Elegie. Aber der sich aufdrängende Vergleich mit Goethe fällt nicht zu Hausmanns Gunsten aus. Bei Goethe achten wir das Hinnehmen eines gnadenlosen Schicksals, bei Hausmann ergibt sich gerade das Nichtzurkenntnisnehmen ein wenig der Lächerlichkeit preis. Beim Lesen der Distichen Hausmanns muß man daran denken, daß Kurt Ziesel ihn zu seinen Lieblingsdichtern zählt. Dem armen Hausmann wird ein Ehrenplatz zwischen Hans Grimm, Frank Thiess und Erwin Gindo Kolbenheyer angewiesen Die Generation des Referenten rechnete Hausmann zur „inneren Emigration“ und empfand deshalb großen Respekt vor ihm. Es tat uns in der Seele weh, ihn in dieser Gesellschaft zu sehen. Ein Lob aus dem Munde von Kurt Ziesel erschien uns als grausame Strafe für den würdigen alten Herrn in Bremen. Nach der Lektüre des „Golddurchwirkten Schleiers“ müssen wir allerdings eingestehn: „Ganz unverdient ist diese Strafe nicht!“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung