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Zeitloses und Zeitliches

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Wie Lichtenberg in seiner körperlichen Haushaltung auf Ausgleich viel gab und die stattgehabte Lust genauestens verzeichnete, wie er dem Haushalt der Natur nützliche Kenntnisse zu entnehmen suchte: es war das Achten auf die rechte Ordnung, es war die Achtung vor der Physis. Klar, schlagkräftig und ungezwungen war seine Sprache, durchforschend und konsequent seine Denkart. H;nzu trat seine Liebe fürs Ausgefallene. Die Formulierungen sind wie Blitze und schlagen ein im Gedächtnis. Zeitloses und Zeitliches verquickten sich ihm wie seiner Epoche: fortzuleben im täuschend zeitlosen Ruhm der Zeiten, war das zeitliche Bemühen jenes Alters. Noch aber galt: auf der Höhe der Zeit sein durchs Setzen der überzeitlichen Leistung. Noch war die Zeit Bühne der Ewigkeit und nicht Kerkerzelle der Geschichtlichkeit.

Jedem Menschen maß Lichtenberg Augenblicke der Größe zu. Selbst experimentierte er so eifrig, wie seine wacklige Gesundheit es zuließ, die Augenblicke dauernder Wirkung hatte er in seinen Sudelbüchern, nicht in seinem physikalischen Amt. Seine Bemerkungen treffen die Weli tiefer ins Herz, seine Beobachtungen den Menschen besser auf den Kopi als dreizehn Bände vernagelte Psychologie. Ihm eignete der scharfe Blick, Konturen aus dem Ungeform-ten zu lösen, er verband ihn mii dem Vorzug, die Mannigfaltigkeit in zwei Zeilen beschwören zu können.

Auch der witzige Kopf zahlt seinen Preis. Den Schwächen des Rationalisten, von Zweifeln heimgesucht und von den Denkgesetzen geplagt zu sein, gesellten sich die Hypochondrie, das körperliche Kränkeln, die unsteten Gefühle. Der Biograph setzt Lichtenberg nicht zurecht, er folgt ihm in Licht und Düsternis. Konzise und zutreffend schildert er den Gelehrten und seine gelehrige Zeit — zu Lichtenbergs Ehre und des Lesers Vorteil.

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