Werbung
Werbung
Werbung

Katharina Geiser hat ein überflüssiges Wien-Buch geschrieben - und es wurde leider veröffentlicht.

Es hätte ja ein gutes Buch werden können: Eine Schweizerin entdeckt im Jüdischen Museum in Wien eine Schachtel, die das Ehepaar Franz und Anni Bial für die Tochter Lilli gepackt hat; die Eltern wurden deportiert und ermordet, Lilli, die mit dem Kindertransport nach England kam, hat die Schachtel nie erhalten. Die Erzählerin Jula Fink will "Schriften und Erzählungen wie einen Handlauf" benutzen und in Wien ganz eintauchen in die Geschichte der Bials und in ihre Zeit.

Das jüdische Wien der Zwischenkriegszeit passiert Revue, und nicht nur die Berühmtheiten wie Karl Kraus mit seiner Sidonie Nádhern´y von Borutin, Peter Altenberg oder Franz Kafka betreten das Podium, sondern auch Unbekannte, vor allem vergessene Frauen: die in Auschwitz ermordete Friedl Dicker, die Modekünstlerin (und Klimt-Freundin) Emilie Flöge oder die Schriftstellerin Alma Johanna Koenig.

Und am Ende gelingt die berührende Begegnung mit Lilli Bial in England, das Gespräch über die von den Eltern gepackte Schachtel und die Lebensgeschichte nach der Rettung.

Aber es ist trotzdem kein gutes Buch. Nicht nur, weil die Erzählerin in zu vielen Details versinkt und die Banalitäten auch auf die tragischen Momente abfärben oder weil das, was als ganz persönlich Gefundenes ausgegeben wird, zu sehr an die Ausstellungsprogramme der letzten Jahre erinnert. Das Buch ist vor allem deshalb missglückt, weil die sich so schön in ihre Materie einfühlende Autorin oft allzu sehr mit sich selbst beschäftigt ist ("Seit geraumer Zeit backe ich zu Hause Apfel-oder Pflaumenkuchen ...), Plattitüden als Erkenntnisse ausgibt und das Erschrecken in Betulichkeiten erstickt. Dass dabei Recherche und Phantasie verschwimmen, versteht sich von selbst.

Noch im letzten Satz verdirbt Katharina Geiser die Begegnung mit der Hebamme Lilli Bial durch den Satz, der wie ein Verschnitt aus Heidegger-Parodie und schlechter Predigt klingt: "Dann ... legte sie das hilflose Wesen in Windeln, reichte es hin in ein Mögliches." Aber in diesem ärgerlichen und überflüssigen Wien-Buch ist ohnedies schon vorher alles verdorben.

vorübergehend wien

Von Katharina Geiser

Paul Zsolnay Verlag, Wien 2006

304 Seiten mit 30 Abb., geb., e 24,20

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung