Werbung
Werbung
Werbung

György Dalos' Erzählung "Balaton-Brigade".

György Dalos, der ungarische Autor mit Wohnsitz in Berlin, hat mit der "Balaton-Brigade" eine neue schöne Erzählung vorgelegt. Seine Romane - u. a. "Die Beschneidung", "Der Versteckspieler" oder zuletzt "Seilschaften" - waren stets gekonnte Vexierspiele aus autobiografischen Momenten und Fiktion. Dalos ist jüdischer Herkunft, das Kádár-Regime stufte ihn als politisch unzuverlässig ein, er durfte lange nicht publizieren. In den 80ern emigrierte er nach Österreich. Die Wende empfand Dalos als Auftrag, konkrete Verantwortung zu übernehmen, und war in den 90er Jahren Direktor des Hauses Ungarn in Berlin. Aufklären, vermitteln, netzwerken - unermüdlich reist der studierte Historiker seither zwischen Ost und West, Vergangenheit und Gegenwart.

In der "Balaton-Brigade" konfrontiert er uns mit einem, im Vergleich zu seinen früheren Büchern, ungewöhnlichen Helden: Josef Klempner ist ehemaliger Stasi-Hauptmann der DDR. Wir schreiben das Jahr 1995, Klempner hält Rückschau. Gesprächspartner des einsamen alten Mannes ist sein treuer Dackel Hugo.

Ausgerechnet am Höhepunkt seiner Karriere gerät Klempners Leben aus den Fugen. Als er den Auftrag erhält, im Sommer des Jahres 1989 die Sicherheitsarbeit am Nordufer des Balaton zu koordinieren, geht für ihn, den gebürtigen Ungarn, zunächst ein Traum in Erfüllung. Doch am Tag dieser Beförderung erblickt er zufällig seine Tochter Tamara in den Armen eines Mannes, der sich bald als politisch unzuverlässiger Chilene aus Westberlin entpuppt. Als ergebener Tschekist berichtet er davon seinem Vorgesetzten und väterlichen Freund Major Frickhelm, der ihm befiehlt das Liebespaar zu observieren. Klempner ist ein "entschlossener Parteigänger der Arbeiter-und Bauernmacht" und so beginnt er wider besseren Gewissens, seiner Tochter nachzuspionieren.

An die Zeit am heimatlichen Balaton erinnert Klempner sich mit einer gewissen Wehmut. Trotz aller privaten Probleme und obwohl vor seinen Augen tausende DDR-Bürger darauf warten, dass Ungarn die Grenzen öffnet, ist es eine der glücklichsten Zeiten seines Lebens. Was nicht zuletzt daran liegt, dass er sich verliebt, dass ihm das erste Mal in den Sinn kommt, dass er vielleicht auch ein anderes Leben hätte leben können. An seinem Versagen als Vater ist allerdings nichts mehr zu ändern, und gemessen am Verrat an Tamara ist der Untergang seines Staates eigentlich eine Nebensache.

Dalos hätte von einer Figur wie Klempner ganz anders erzählen können als er es tut - er hätte zum Beispiel kalt und analytisch ihre Untertanenseele auseinander nehmen können. Doch er entscheidet sich dafür, ihr nah zu sein, erzählt mit ,menschlichem Maß'. Da ist Zärtlichkeit in seinem Interesse für Menschen und dem, was sie antreibt. Leiser Witz, Melancholie - auch das gehört zu seinem Stil. Klempner ist am Ende dieser ruhig und gänzlich unpathetisch gehaltenen Beichte seiner Lebenswahrheit ganz nahe - lebt mit ihr, mit seiner Schuld. Das ist nicht schlecht, das ist nicht gut; am ehesten ist es ein trauriges Schweben dazwischen, das Dalos anrührend vermittelt.

Balaton-Brigade

Erzählung von György Dalos

Rotbuch Verlag, Hamburg 2006

189 Seiten, geb., e 20,40

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung