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Zahn und Zimmermann

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Mein Freund, Dr. Lortzing, stellt neben exorbitant hohen Zahnarztrechnungen auch seine „Musikbilder" aus. Böse Zungen, die sich meist in den von ihm malträtierten Mündern befinden, behaupten, daß Dr. Lortzing deshalb diese Mischform wählt, weil er weder von Musik noch von der Malerei etwas versteht.

Nachdem Dr. Lortzing seinen besten Freunden, die aus diesem Grund nicht seine Patienten sind, das große Geheimnis, endlich eine Oper zu komponieren, verriet, wurde ihm zu Weihnachten eine wunderschöne ziselierte Tafel geschenkt. Auf dieser Tafel prangte mit ganz großen Buchstaben: „Zahn und Zimmermann".

„Wenn schon Namensgleichheit, dann auch Titelähnlichkeit", argumentierten seine besten Freunde, die stets einen großen Bogen um seinen Behandlungsstuhl machten. Daß auch ich nicht sein Patient bin, das muß wohl nicht extra betont werden.

Apropos: betonen. Dr. Lortzing nahm dankend die ihm geschenkte Tafel samt Aufschrift an und machte diese zum Titel seiner Oper. Er begann an seiner komischen Oper zu schreiben.

„Komik" gehörte, im Gegensatz zur Zahnheilkunde, überhaupt zu Dr. Lortzings starken Seiten. So nannte er, witzig wie Mediziner halt sind, seinen Behandlungsstuhl „Bohrinsel", wobei er nicht auf Ol, sondern sein jeweiliger Patient Schmerzen (aus-) stieß.

Ich darf jetzt kurz meinen Freund Dr. Lortzing, seine teure, wenn auch wenig wirksame, Heilkunst verlassen, um mich selber in die Geschichte einzubringen: Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich im Warteraum des Zahnambulatoriums der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse. Da mich dieser Ort zu Pointen- und Gag-Geburten nicht sonderlich anregt, lege ich ein Kishon-Taschenbuch („Nichts zu lachen") unter meinen Notizblock. Ich warte auf meinen

Aufruf und auf eine Kishon-Inspirati-on (nicht Imitation).

Knapp bevor der Lautsprecher meinen Namen zwar nicht in die literarische Unsterblichkeit, so doch in allen Ecken und Enden des Warteraumes verkündet, fällt mir Dr. Lortzings berühmter Satz, den er unbedingt in seine Oper einbauen will, ein: „Für die anderen bin ich bereit, alle Annehmlichkeiten dieser Welt auf mich zu nehmen!"

Kaum, daß ich diesen Satz zu Ende schreibe, höre ich meinen Namen; der Behandlungsstuhl - glücklicherweise nicht des Dr. Lortzing - wartet schon auf mich.

Einige Tage später, ich traf Dr. Lortzing in einem privaten Kreis einschlägig denkender Männer, die trotzdem heterosexuell fühlen und handeln, wo er mir freudestrahlend berichtete: „Ich arbeite schon an meinem ,Zahn und Zimmermann', gegenwärtig charakterisiere ich meinen Helden ..." Dann dachte mein NichtZahnarzt und Nur-Freund kurz nach

und es sprudelte schon aus ihm heraus: „Helden sind bereit, für eigene Überzeugung zu sterben - mein Held ist bereit, für fremde Überzeugungen zu leben ... !"

„Man sagt", so erwiderte ich meinem Freund, „daß die meisten Figuren Eben- und Spiegelbilder ihrer Erschaffer sind ..."

„Pfui", so Dr. Lortzing, „so was ist charakterlos ..." und erkundigte sich bei mir, ob ich ihm einen Gesprächstermin mit dem neuen Chefarzt einer bestimmten Krankenkasse organisieren könnte. - Ich konnte es nicht. Seither hörte ich von meinem „Freund" Dr. Lortzing und seiner alles andere als „komischen" Oper „Zahn und Zimmermann" nichts mehr.

An dieser Stelle wandte sich meine Frau Helga, die auch meine konsequenteste Kritikerin ist, zu mir: „Dein Titel ist gut, aber viel - um ehrlich zu sein - fiel Dir diesmal dazu nicht ein. Ob das den FüRCHE-Lesern gefallen wird...?"

Hoffentlich.

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