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Aktion Surname

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In Kanadas hohem Norden, in den riesigen Nordwestterritorien, zieht Abe OJcpik (vordem: „W 3 — 445“) von Eskimo zu Eskimo. Er ist der seltsamste und kühlste Hausierer der Welt. Okpik bietet, gratis, etwas sehr Persönliches an: Namen. Die Mehrzahl der 12.000 kanadischen Eskimos lebt in den eisigen Nordwestterritorien, von denen Bleichgesichter behaupten, man benötige hier eine Haut aus Messing, Augen aus Glas und Brandy als Blut. Da viele der Ureinwohner des Nordens nur einen Vornamen und keinen Familiennamen haben, beschloß die kanadische Regierung zu Beginn der vierziger Jahre, alle Innuit, wie sie sich nennen — den Namen Eskimo (Rohfleischesser) gaben ihnen die Indianer — mit Nummern zu identifizieren. Jeder Eskimo erhielt ein braunes Metallplättchen mit den Worten „Eskimo Identification Canada“, das mit einer Krone geziert ist und eine Nummer trägt. Derart sollten auch Irrtümer bei der Uberweisung von Wohlfahrtszahlungen und Pensionen vermieden werden.

Bisher nur Nummern!

Die Eskimos nahmen dies gelassen zur Kenntnis, doch andere Kanadier behaupteten, daß Nummern anstatt Namen eine Herabsetzung seien.

Nun, da die Nordwestterritorien ihren 100jährigen Bestand feiern, wurde die „Aktion Surname“ gestartet 35.000 Dollar wurden für diesen Zweck bereitgestellt. Jeder Eskimo soll von nun auch einen Familiennamen haben. Okpik, der erste Eskimo, der in den Rat der Nordwestterritorien gewählt worden war, wurde mit der Aufgabe betraut, die 2500 Eskimofamilien der Territorien aufzusuchen. Okpik argumentiert: „Die Regierung will, daß ihr Familiennamen habt — wie alle anderen Kanadier!“

Ottawa ist bemüht, das Los der Eskimos, die auch heute eine durchschnittliche Lebensdauer von nur 22 Jahren haben, zu verbessern. „Aktion Surname“ ist ein Teil dieses Programmes. Die Ausbeutung der Bodenschätze des hohen Nordens, der kühlsten Schatzkammer der Welt, mag auch für Kanadas Eskimos eine dramatische Wendung zum Besseren bringen.

Mittlerweile zieht der unermüdliche Abe Okpik in den Nordwestterrito*-rien — „wie ein Hausierer“ — von Eskimo zu Eskimo, um sie dafür zu gewinnen, einen Familiennamen zu wählen. Irgendeinen Familiennamen. Okpik sagt: „Selbst vor dem Einschlafen tanzen Papiere mit hunder-ten Namen vor meinen Augen...“

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