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Auch in den USA selbst ist der arabische TV-Sender El Dschasira im Aufwind.

Wer hätte gedacht, dass eine arabische Fernsehgesellschaft in Amerika ausgerechnet jetzt ungewöhnliche Zuwachsraten verzeichnet. Dass immer mehr Amerikaner El Dschasira (Al Jazeera) abonnieren und einschalten, weil sie mit ihren eigenen Nachrichtensendungen, vor allem aus dem Krisengebiet Afghanistan, nicht zufrieden sind. Und weil die größten und wichtigsten amerikanischen TV-Organisationen vor dem Weißen Haus kuschten.

El Dschasira ist im amerikafreundlichen Emirat Katar angesiedelt und gilt - mit weltweit rund 400 Mitarbeitern - als das "arabische CNN": 24 Stunden TV-Nachrichten Tag für Tag. Vor allem ist El Dschasira die einzige Nachrichtenorganisation der Weit, die aus ganz Afghanistan zu senden in der Lage ist, weil selbst die Taliban die Journalisten aus Katar senden lassen.

Das wiederum beeindruckt Hunderttausende von Amerikanern, vor allem die Muslime unter ihnen, die dem US-Fernsehen weniger abgewinnen können, weil das ihrer Ansicht nach zu einseitig berichtet. Wer in den USA El Dschasira beziehen will, braucht lediglich eine runde TV-Antenne von der Größe einer normalen Pizza und ein Abonnement von Dish Network, das etwa 25 Dollar im Monat kostet.

Dem Weißen Haus war es gelungen, die fünf größten TV-Gesellschaften (ABC, CBS, NBC, MSNBC, CNN) zu "freiwilliger Selbstkontrolle" zu bewegen, was die Nachrichten aus dem Lager Osama Bin Ladens betrifft - El Dschasira ist unbeeindruckt, kann auch gar nicht zensiert werden, weil das technisch nicht möglich ist.

Schließlich gibt es fünf Satellitensysteme, über die El Dschasira zu beziehen ist. Für die größten Teile der USA ist der kürzeste Weg über den Satelliten Arabsat 2A, der über Zentralafrika stationiert ist. Dorthin werden die TV-Nachrichten der El Dschasira-Korrespondenten von der Front - via Kabul und Doha/Katar - gesendet. Vom Satelliten aus, der der Arabischen Liga gehört, gehen die Signale an die europäische Bodenstation Fucino/Italien, die sie wiederum an den Satelliten PAS 9 weiter gibt, der Eigentum der amerikanischen PanAmSat Corporation ist. Die Signale von PAS 9 können fast im gesamten Gebiet der USA und Kanadas empfangen werden.

Die amerikanische Kabelgesellschaft Echo Star/Dish Network, die mehr als sechs Millionen Abonnenten hat, bietet El Dschasira seit vier Jahren an. Mehr als 150.000 US-Haushalte beziehen auf diese Weise den Sender aus Katar, im Abo inbegriffen sind unter dem Angebot "Arabic Enhanced Pack" sechs weitere arabische TV-Kanäle. "Die Einschaltquoten für El Dschasira waren noch nie so hoch wie jetzt", sagt ein Sprecher von Echo Star, "und die Abo-Zuwachsraten sind phänomenal". Die meisten El Dschasira-Abonnenten gibt es in Detroit, Los Angeles und New York. Fast 70.000 Amerikaner arabischen Ursprungs leben auch im Großraum Washington.

"El Dschasira bringt uns auch die arabische Seite einer Nachricht", urteilt etwa der Rechtsanwalt Sami Jadallah in Virginia, "das macht das amerikanische Fernsehen nie". Er ist gebürtiger Palästinenser, aber "Amerikaner durch und durch", wie er sagt. Der im Libanon geborene Bäcker Sleiman Kysia meint: "Was das Weiße Haus da gemacht hat, ist ein großer Fehler. Das ist nicht wirklich amerikanisch." Und Jay Awamleh, vor 31 Jahren aus Jordanien in die USA gegangen, sagt: "Was Bush tut, hat die Sowjetunion 70 Jahre lang getan, und Moskau ist dafür von Washington kritisiert worden. Jetzt handelt unsere Regierung genau so".

Diese Kritik zielt auf eine Intervention von Condoleezza Rice ab, der Sicherheitsberaterin Präsident Bushs. Die hatte kürzlich Chefmanager der führenden fünf Fernsehgesellschaften im Rahmen einer Konferenzschaltung aufgefordert, davon Abstand zu nehmen, Interviews mit Osama Bin Laden im Wortlaut von El Dschasira zu übernehmen. Sie redete 20 Minuten auf die Manager ein und begründete ihre Bitte: Solche Interviews des Terroristenchefs könnten noch existierende Terroristenzellen in den USA zu neuen Anschlägen "anstacheln", außerdem könnten seine Äußerungen oder seine Mimik "verschlüsselte Botschaften" an Terroristen enthalten. Nachdem Mrs. Rice geendet hatte, beratschlagten die fünf "Weisen" des US-Fernsehens noch eine Weile - und beschlossen, dem Weißen Haus zu folgen und Bin-Laden-Interviews oder -Stellungnahmen in Zukunft und im Gegensatz zu El Dschasira zu "filtern". Es ist das erste Mal in der Geschichte der US-Medien, dass eine solche Art von Selbstzensur auf Regierungsintervention hin verkündet wird. Diese Haltung, die einer der TV-Manager "patriotisch" nannte, wurde von der New York Times schärfstens kritisiert. "Die amerikanische Bevölkerung sollte ungehinderten Zugang zu Informationen über den Terroristenführer und seine Ansichten haben", schrieb das Blatt.

Die Begründungen der Sicherheitsberaterin seien "lächerlich", urteilte auch ein Terrorexperte in Washington: Schließlich könnten Interessierte El Dschasira jederzeit beziehen, niemand sei auf Übernahme der Sendungen durch US-Gesellschaften angewiesen.

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