Analyse bei Dr. Rabe

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Monika Wogrollys Roman quält mit humor- und schonungsloser Innenschau.

Mein Problem ist, dass Wahrheit von Lüge nicht oder nur sehr schwer zu unterscheiden ist. Es spielt keine Rolle, ob etwas wirklich geschehen ist. Alles, was ich sage, hat mit mir zu tun. Ich habe einen Mord verübt; habe den Gasherd aufgedreht; habe einen Vogel gefunden." Dieses Bekenntnis der offensichtlich unter einem psychotischen Schub stehenden Hauptfigur mag dem Leser als roter Faden in Monika Wogrollys mittlerweile fünftem Roman dienen.

Die äußere Handlung ist rasch erzählt: eine Medizin-Journalistin Mitte dreißig soll ihrer Familie nach Italien (laut Klappentext nach Spanien, na ja ...) nachreisen, wo ihr Mann seit einem Jahr eine Ambulanz für Essstörungen leitet. Die Koffer sind gepackt, doch ihr ist wohl bewusst, dass sie vor einer fatalen Fehlentscheidung steht: sie ist ihrem Mann chronisch untreu, er latent gewalttätig, die Ehe ein irreparabler Fehler. Am Tag der geplanten Abreise verbringt sie eine Nacht mit einem Fremden, den sie am nächsten Morgen scheinbar grundlos "ermordet" (es hilft dem Textverständnis, dies bildlich zu nehmen). Ein junger Vogel, den sie auf der Straße findet, markiert schließlich den Wendepunkt in ihrem Leben. Sie pflegt das sterbende Tier, das sich seinerseits als Schutzgeist erweist und mit dem sie Zwiesprache hält. Außerdem begibt sie sich in Analyse zu Doktor Rabe (die Vogel-Metaphern werden in diesem Text sehr häufig bemüht, so mutiert das Vöglein mitunter zum Handy und das "Brieflein im Schnabel" zur sms-Botschaft).

Nun folgen 300 (!) Seiten der Analyse bei Doktor Rabe gemäß der Freudschen Maxime der freien Assoziation, durchbrochen von Flügelträumen und irritierenden Metamorphosen, denen Dr. Rabe in Gestalt und Größe unterliegt ("Damit will ich dir nur zeigen, wie beliebig alles ist.") - und wer sich als Leser nicht selbst zum Analytiker berufen fühlt, findet sich hier rasch der Gefahr der Langeweile ausgesetzt. Der anschließende gemeinsame Südsee-Urlaub mit Dr. Rabe endet abrupt, ein eifersüchtiger Ehemann zertrümmert das Notebook mit dem fast fertigen Roman und schließlich findet sich beim vermeintlichen Mordopfer ein Augenblick vagen Glücks - ein wohl trügerisches happy end, doch immerhin ein Akt der Befreiung, scheint doch das Fliegen endlich erlernt.

Thematik und Figuren sind aus Wogrollys früheren Romanen bekannt: ihre Protagonistin, eine aufgrund vielfältiger Traumata beziehungsunfähige Frau, versucht, aus Abhängigkeiten und ihrem "inneren Kerker" auszubrechen. Beruflich mit schwerst kranken und depressiven Organempfänger, Hirntoten und Wachkomatösen konfrontiert, widmet sich die Autorin einer schonungslosen Innenschau. Redundanzen, mangelnde Strukturierung, Stilschwächen und vor allem absolute Humorlosigkeit machen dies für den Leser zu einem quälenden Unterfangen.

Rabenbraten

Roman von Monika Wogrolly

Verlag Deuticke, Wien 2004

364 Seiten, geb., e 23,60

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