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Mit "Ausländer raus" lässt Paul Poet die Erregung um Christoph Schlingensiefs Container nochmals Revue passieren.

Im Jahr 1990 griff der deutsche Theater- und Filmregisseur Christoph Schlingensief den Film-Mythos von Tobe Hoopers 1974 gedrehtem "The Texas Chainsaw Massacre" auf und schilderte in seinem Spielfilm "Das deutsche Kettensägenmassaker" die deutsche Wiedervereinigung als quälende Abfolge grausamster Gewaltakte zwischen westlichen "Siegern" und östlichen "Verlierern".

Nach wohlkalkulierten Ausflügen in die Welt der Schmuddeltalks ("Talk 2000"), innerhalb derer Schlingensief eine Repolitisierung der TV-Unterhaltung angestrebt hatte, führte ihn sein Weg nach Österreich. Aus Anlass der FPÖ-Regierungsbeteiligung und inspiriert von Voyeur-TV-Shows wie "Big Brother", ließ er im Rahmen der Wiener Festwochen 2000 einen mit Webcams bestückten Container eine Woche lang neben die Wiener Staatsoper stellen. Per Internet konnte man die Insassen, freiwillig untergebrachte Asylanten, hinauswählen - zur Abschiebung aus Österreich. Diese Aktion mit dem Titel "Bitte liebt Österreich!" - und ihre unvermeidliche Skandalisierung - lässt der Filmemacher Paul Poet nun in einem Dokumentarfilm Revue passieren.

Schon damals wurde die Inszenierung im und der Tumult vor dem Container, auf dessen Dach die Worte "Ausländer raus!" prangten, in Echtzeit im Netz übertragen. Erwartungsgemäß gingen die Wogen hoch und erinnerten durchaus an so manchen "Kunstskandal" Thomas Bernhard'schen Zuschnitts: Die Kronenzeitung war entrüstet über das vermeintliche Verschleudern von Steuergeldern und die Wiener Freiheitlichen sahen sich als ein zu Unrecht ins Visier genommenes Angriffsziel eines "linksextremen Künstlers". Schließlich zerstörte eine Gruppe von linken Demonstranten die Aufschrift "Ausländer raus!" und plante allen Ernstes, die Asylanten zu "befreien". Streitigkeiten, wüste Beschimpfungen sowie Handgreiflichkeiten vor dem Container waren an der Tagesordnung - mehr und mehr entzog sich die Aktion der Kontrolle durch die Veranstalter.

Paul Poet, damaliger Leiter der Online-"Aufführung", schuf mit dieser Dokumentation eine auffallend unaufgeregte Schilderung eines Versuchs, Big Brother als sozialpolitische Satire zu inszenieren und zugleich auf verstärkte und salonfähig gewordene Rechtstendenzen hinzuweisen. Nach dem Sichten von knapp hundertstündigem Material entstand ein spannendes Stück filmisch aufbereiteter Zeitgeschichte, das die aus allen Fugen geratenen Ereignisse miterlebbar werden lässt.

Darüber hinaus zeigt der Film auch den Menschen Schlingensief, der nicht nur gerne mit alten und neuen Mythen jongliert, sondern sich in geradezu barock anmutender Selbstinszenierung auf dem besten Wege befindet, seinen eigenen (Pop-)Mythos zu schaffen. Oder selbst einer zu werden.

AUSLÄNDER RAUS! SCHLINGENSIEFS CONTAINER. Ö 2002. Regie: Paul Poet. Verleih: Polyfilm. 90 Min.

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