Die Volksseele und die Wahrheit

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DER SÜSSE DUFT DES TODES - Un Dulce Olor a Muerte

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DER SÜSSE DUFT DES TODES - Un Dulce Olor a Muerte

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In einer kleinen Stadt im mexikanischen Hochland wird ein Mord verübt. Fern der Metropolen, ist man es hier gewohnt, Probleme selber zu lösen. Also ermittelt der alte Sheriff Justino in dieser Sache, wobei all die sozialen Bruchstellen und Ressentiments einer ländlichen Struktur sichtbar werden. Gelungene Milieustudie, die Kritik an der doppelmoralischen, patriarchalischen und korrupten Tradition des ländlichen Mexiko übt - unterbrochen von einigen dramaturgisch zweifelhaften Spannungsmomenten aus dem Routinefundus des Kriminalgenres. Klein aber fein. Ab 14.

Wenn unweit von Carranco ein Mädchen nackt und ermordet in einem Feld aufgefunden wird, dann ist das ganze Dorf in Aufruhr. Sofort brechen die bisher unter dem Deckmantel des Dorftratsches schwelenden Feindseligkeiten auf - zwischen den traditionellen Dorfbewohnern auf der einen und den jungen Siedlern der strikt abgetrennten Neubauten auf der anderen Seite. Und natürlich ist der von allen sogleich Verdächtigte ein Zigeuner. Und dann kommen noch die Rituale einer patriarchalischen Gesellschaft hinzu.

Für Sheriff Justino ist es schwer, seinem Namen gerecht zu werden. Er ist Gott sei Dank schon älter und abgeklärt. Es scheint so, als wüsste er, dass er nur warten muss, bis die Dynamik der Volksseele die Wahrheit ans Tageslicht spülen wird. Justino, das ist die eine tragende Rolle dieses Filmes. Er gibt der Handlung Ruhe, eine reife Gelassenheit. Auf der anderen Seite Ramon, der junge und stürmische Jugendliche, der in die Tote unsterblich verliebt war. An ihm wird die Dynamik der Verstrickung, aber auch die Hoffnung auf Veränderung festgemacht. Zwischen diesen beiden Polen entwickelt Regisseur Retes eine feinfühlige Milieustudie: Nicht anprangern, sondern zeigen, war das Motto der Arbeit.

Die schön konstruierte Geschichte wird nur ein paar Mal unterbrochen durch einige beschleunigende Elemente des Kriminalgenres, schnellere Schnitte, Kamerafahrten, Musik. Das ist schade. Lebt doch der Film von der Spannung zwischen dem Alten und dem Jungen, zwischen Tradition und Moderne. Von einer Spannung, die sich aus dem drängenden Stillstand der Handlung ergibt. Es arbeitet in den Menschen, aber die Handlung selbst steht (der Mörder wird lange nicht gefunden). Die vordergründige Spannung erzeugenden Momente stehen dazu im Kontrast. Dennoch: ein gelungener Film!

Mexiko / Spanien / Argentinien 1998 - Produzent: Tita Lombardo - Verleih: Cinematograph - Länge: 98 Min. - Regie: Gabriel Retes - Buch: Edna Necoechea, nach dem gleichnamigen Roman von Guillermo Arriaga - Kamera: Claudio Rocha - Schnitt: Carlos Salces - Musik: Ivan Wyszogrod - Darsteller: Diego Luna, Hector Alterio, Karra Elejalde, Ana Alvarez, Gabriel Retes, Odiseo Bichir

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