Kampf ums Netz-Geld

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Die Wiener Netzkulturszene bestimmt ab 2006 selbst über die Verteilung ihrer Fördergelder: Ein umstrittenes Modell.

F ragen der Demokratie und Kampf gegen die Einschränkung der Bürgerrechte zählen für sie. Freier Zugang zu Bildung und sozial ausgewogener Zugang zu Kultur zählen für sie. An diesen Schnittstellen agiert Netzkultur. Ihre Methoden: Virtuelle Ausstellungen, Diskussionsforen, Kulturberichte im Internet. Aber derzeit geht's ums Geld: Das ab 2006 geplante neue Fördermodell für die Wiener Netzkulturszene sorgt für hohe Wogen. Im Zentrum der Kritik stehen die so genannten "Network Grants", Fördergelder in der Höhe von 250.000 Euro aus der Kasse der Stadt Wien, über deren Verteilung die Szene selbst entscheiden soll. Und zwar auf Basis eines softwaregestützten Ranking-Systems, in dem sich die Netzkulturinitiativen gegenseitig bewerten. Entwickelt wurde dieses Ranking-System von rund 80 Initiativen, die selbst Förderaspiranten sind und sich unter der Plattform netznetz.net zusammengeschlossen haben.

Vier Module

Insgesamt soll das neue Fördermodell soll aus vier Modulen bestehen: Neben den "Network Grants" vergibt die Stadt Wien "Microgrants" für neue und kleine Initiativen und Projekte. Weiters gibt es Fördersummen für Hardware und eine jährliche Präsentation des Sektors Netzkultur. 500.000 Euro pro Jahr werden im Bereich Netzkultur vergeben Laut Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (spö) bedeutet das eine Steigerung um 200.000 Euro, um die das Kulturbudget erhöht werden soll. "Unhierarchisch, unbürokratisch, sehr transparentes partizipatorisches System", lauten Auszüge der Lobesrede von Mailath-Pokorny bei einer Pressekonferenz Anfang Juli übers neue Fördermodell.

Das konsortium.Netz.kultur (www. konsortium.at), das bundesweite Sprachrohr der Netzkulturinitiativen, sieht das freilich anders: "Die Verteilung von Finanzmitteln wird lediglich auf ein zu entwickelndes automatisiertes Verfahren abgewälzt", heißt es in einer Presseaussendung. Die Kulturpolitik ziehe sich aus ihrer Verantwortung für notwendige Rahmenbedingungen.

Riesengroße Blase

Indes fürchtet Netbase, Österreichs erste Netzkultur-Initiative und Pionier in der Steinzeit der Bits und Bytes, ums liebe Geld. Bislang mit 50 Prozent größter Nutznießer der Fördersumme, muss es sich durch die nunmehr geplante Förderung - die ersten 15 bis 20 Projekte sollen einen einheitlichen Betrag erhalten - auf deutliche Einbußen gefasst machen.

"Das Fördermodell bietet nichts an Info, sondern wirft nur zusätzliche Fragen auf", erklärt Netbase-Geschäftsführer Martin Wassermair gegenüber der Furche. Die Frage, welche Netzwerkbedingungen urbane Strukturen im 21. Jahrhundert brauchen, sei durch Software nicht zu lösen.

Den "verinnerlichten Netzwerkgedanken" begrüßt Wassermair zwar, aber hier handle es sich um "eine riesengroße Blase, die im Raum steht". Das Modell biete außerdem keine perspektivische Sicherheit, die Teilnahme an internationalen Projekten sei unmöglich: "Wir sind einem Glücksspiel ausgesetzt", macht der Geschäftsführer von Netbase seinem Unmut Luft.

Durch die Jahresförderung seien langfristige Perspektiven sehr wohl möglich, heißt es dem entgegen aus dem Büro des Kulturstadtrats. "Jeder kann mitmachen, Vereine und Einzelpersonen, die einen Wien-Bezug haben. Die Kosten für die technische Umsetzung kommen nicht aus dem Kulturbudget, sondern von anderen Partnern."

Mit der Technischen Universität Wien etwa sei man am Verhandeln. Auf wissenschaftliche Begleitung werde größter Wert gelegt, ertönt es etwas unpräzise aus dem Stadtratbüro.Und weiter ist zu hören: "Wer sich das Fördermodell nicht vorstellen kann, der hat einen Mangel an Fantasie."

"Kannibalismus"

Seitens der grünen Opposition und der Szene selbst werden auch Befürchtungen laut, das neue Modell könne "Kannibalismus innerhalb der Gruppe" fördern, wie Marie Ringler, Kultursprecherin der Wiener Grünen, meint. Lorenz "eSeL" Seidler von netznetz.net sieht indes keinen Nachteil in der "kollaborativen Konkurrenz": "Leute, die zusammenarbeiten, werden belohnt", meint er gegenüber der Furche.

Damit spielt er auf das so genannte "Reputationssystem" an: Ein System, das etwa bei der Bewertung von Büchern zum Einsatz kommt. Dieses System könnte zum Beispiel die Stimmabgabe von zwei Initiativen füreinander weniger stark werten. Das Programm ist noch nicht fertig. Wohl einer der Gründe, wieso alles gar so schnell ging. Bis Dezember sind jedenfalls noch fünf Testläufe geplant.

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