Privater Weltkonzern

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Über die deutsche Unternehmerfamilie Mohn und den Aufstieg des Bertelsmann-Konzerns ist wenig bekannt. Ein neues Buch ändert das kaum.

Bertelsmann, zu dem der weltgrößte Buchverlag Random House gehört, erwirtschaftet als größtes Verlagshaus der Welt jeweils ein Drittel seines Umsatzes in Deutschland, den USA und der restlichen Welt. Der Konzern ist größter Fernsehanbieter Europas (RTL) sowie mit Gruner+Jahr (Stern, Brigitte, Geo und in Österreich: die Mehrheit an der News-Gruppe) größter europäischer Zeitschriftenverlag, zum Einflussbereich gehören Tageszeitungen und Buchclubs, darunter die Mehrheitsbeteiligung am österreichischen Buchclub Donauland, schließlich kommt weltweit jede vierte CD von BMG, also auch aus dem Konzern.

Geschichte vor Gegenwart

Der Journalist Thomas Schuler will im Buch "Die Mohns. Vom Provinzbuchhändler zum Weltkonzern: Die Familie hinter Bertelsmann" einen Blick hinter die Kulissen der Bertelsmanneigner geben.

Doch schon der Buchtitel führt in die Irre; wer Erhellendes über die Machtstrukturen des MedienMegakonzerns erwartet, wird nach Lektüre enttäuscht sein. Beinahe die Hälfte des umfangreichen Buches beschäftigt sich mit der Geschichte Bertelsmanns vor dem Zweiten Weltkrieg und den Vorfahren des jetzigen Eigentümers Reinhard Mohn. Genüsslich wird die Rolle des Verlages und der Druckerei in der Nazizeit und im Wiederaufbau Ende der 40er Jahre ausgebreitet - wahrscheinlich, da hier von den Untersuchungen der von Mohn eingesetzten und bezahlten Historikerkommission viel Datenmaterial vorhanden war -, der Aufstieg des Konzerns zum weltumspannenden Medienunternehmen in den 60er und 70er Jahren ist fast völlig ausgeblendet.

Als Mitarbeiter der Gruner+Jahr gehörenden Berliner Zeitung war von Thomas Schuler wahrscheinlich keine kritischere Darstellung zu erwarten. Der Autor ist bemüht, die persönlichen Situationen des Eigentümers Reinhard Mohn zu seinen sechs Kindern aus zwei Ehen und die komplizierten Beziehungen zu seinen Managern im Konzern darzustellen, auch die Rolle von Liz Mohn als zweite Ehefrau und derzeit starke Frau in den Aufsichtsgremien wird kritisch gewürdigt. Ein Organigramm der Verflechtungen und Beteiligungen des Konzerns hätten die Nachvollziehbarkeit und Lesbarkeit des Buches deutlich erhöht. Die Rolle der von Reinhard Mohn 1977 gegründeten Bertelsmann Stiftung, in die ein Großteil der Erträge aus dem Konzern - steuerschonend - fließen, wird gestreift; ihr realpolitischer Einfluss auf die Gesetzgebung, das öffentliche Leben und alle politischen Parteien Deutschlands leider nicht umfassend erhellt.

Heute steht einer der wenigen Weltkonzerne im Privatbesitz am Wendepunkt. Der Rückzug des mehr als 80jährigen Patriarchen Reinhard Mohn steht bevor, doch die Familie als Eigentümer ist zerrissen. Mohn hat versucht über seine Stiftung die Nachfolge rechtzeitig zu regeln, doch hinter den Kulissen entspannten sich Machtkämpfe um das Erbe und den Einfluss bei Bertelsmann. Je näher der geplante Börsengang eines Teiles des Konzerns rückte, desto undurchschaubarer wurde die Strategie der Eigentümer. Reinhard Mohn hat immer versucht, zweigleisig zu fahren, Nachfolger aus der Familie aufzubauen und gleichzeitig mit externen Managern den Aufbau seines Konzerns voranzutreiben. Der 2002 mehr oder weniger erzwungene Abgang des "Wundermanagers" Thomas Middlehoff durch die Eigentümer und das Fehlen eines Nachfolgers aus der Familie zeigen deutlich das Scheitern dieser Doppelstrategie. Hier hätte man im Buch eine stärkere Analyse und Stellungnahme erwartet.

Wesentliche Lücken

Das Thema und die angestrebte Aufgabenstellung böte Raum für eine spannendere Darstellung mit stärkerer Hintergrundanalyse, persönliche Wertung und Ausblick auf mögliche Szenarien. Das Buch ist keine Beweihräucherung der Unternehmerfamilie Mohn aber auch kein Aufdeckungsbuch. Genauso wie man nicht nur "halb schwanger" sein kann, kann man auch kein halbes Aufdeckungsbuch schreiben. Interessierte Leser würden gerne Näheres über den rasanten Aufstieg und die spektakulären Unternehmenszukäufe des Konzerns und die dabei angewandten Methoden und Maßnahmen erfahren.

Die Mohns. Vom Provinzbuchhändler zum Weltkonzern: Die Familie hinter Bertelsmann. Von Thomas Schuler. Campus Verlag, Frankfurt 2004, 372 Seiten, geb., e 25,60

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