"SEX SELLS" als Würstel-Strategie

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Junge, dynamische Ellbogenmenschen rittern um 250.000 Euro als Startkapital für eine eigene Firma. Mit Big Boss hat RTL ein Format ähnlich demjenigen gestartet, mit dem ProSieben vor einem Monat baden ging; treu dem eigenen Motto wurde die Jobsuche-Show Hire or Fire nach der ersten Folge eiskalt abgesetzt. Auch Big Boss, zu sehen Dienstags um 20 Uhr 15, ist eine Reality-Show im Wirtschaftsmilieu. Zwölf Bewerber stellen sich einem Auswahlverfahren, das diversen Assessment Centers und Bewerbungsgesprächen nachempfunden ist, Verfahren also, mit denen Unternehmen ihr Menschenmaterial rekrutieren. Jede Woche feuert der ehemalige Fußballmanager Rainer Calmund, der hier den Big Boss mimt, einen der Kandidaten. Der schwergewichtige Rheinländer kann dabei ziemlich ungemütlich werden.

Die Sendung erlaubt aufschlussreiche Einblicke in die Welt der Ökonomie. Wie die in ein Damen- und ein Herrenteam aufgeteilten Kandidaten mit Anglizismen um sich werfen, wie sie ihre eingelernten Sprüche herunterklopfen ("Ich bin der Beste") penetrant auf die üblichen, ach so gefragten Eigenschaften verweisen ("leistungsfähig", "kreativ", "kommunikationsfreudig", "teamfähig"), bestätigen sämtliche Vermutungen Außenstehender, die bei der Durchsicht von Stellenanzeigen nur verwundert den Kopf schütteln. Auch wie der Hase im Business läuft (oder nicht), wird hier im Kleinen vorexerziert. So meisterte das Frauenteam die erste Aufgabe, Würstchenverkauf in Frankfurt, mit beinhartem Einsatz weiblicher Reize ("Sex sells"), während die Männer ihre grandiosen Kompetenzen nicht ummünzen konnten und mit dem Prinzip "Zwei Verkäufer, vier Manager" scheiterten.

Eigentlich eine aufklärerische Sendung mit öffentlich-rechtlichem Charakter. Wäre dieses unfreiwillig kapitalismuskritische Format schon vor 1989 im deutschen Fernsehen gelaufen: Wer weiß, ob es die DDR nicht heute heute noch gäbe.

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