Skurriles für Nachkoster

Werbung
Werbung
Werbung

"Richtung Zukunft durch die Nacht" erzählt die verquere Romanze eines Vorkosters und einer Filmstudentin - und stellt die Welt der Töne auf den Kopf.

Haare stehen zu Berge, Blut steigt in den Kopf, unglaubliche Dinge geschehen in "Tomatenköpfe" von Paul Horn, Harald Hund und Karo Meiberger. Sechs Minuten dauert der Vorfilm zu "Richtung Zukunft durch die Nacht" - und er hat mit dem Hauptfilm von Jörg Kalt viel gemeinsam. Beide bestechen durch eine witzige, starke Idee, drehen Wahrnehmungsmuster um und stellen die Welt zumindest partiell ordentlich auf den Kopf. "Richtung Zukunft durch die Nacht" dauert freilich zehn Mal so lang - da kann eine tragende Idee schon ausdünnen. Leider passiert das auch, obwohl viele experimentelle Ansätze tapfer dagegen ankämpfen.

Skurrile Bildeinfälle, fantastische Traumsequenzen oder beherzt persiflierende Ausflüge in andere Genreformen wie Werbung und Fernseh-Kochsendungen sind nur einige der Essenzen, die diesem Film Würze geben. Die Story ist schnell erzählt, aber wie sie erzählt wird, ist einzigartig. Der arbeitslose Vorspeisenkoch Nick (Simon Schwarz) verliebt sich in den gerade so hippen Achtzigern in einer Landdisco in die Filmstudentin Anna (Kathrin Resetarits). Irgendetwas stimmt von Anfang an nicht. Die zart aufkeimenden Kommunikationsbande zwischen dem skurrilen Paar scheinen brüchig, der poetischen Romantik dieser anfänglichen Liebe tut das keinen Abbruch. Köstlich ist die Kombination aus schnoddrig-wortkargen Dialogen und großen Gesten. "Gemma schlafen? Na, worauf wart ma?", fragt Anna, als die Sonne aufgeht. Nick holt ein schmiedeeisernes Bett aus einem verwachsenen Garten, die beiden finden sich darin auf einem Zugdach im zarten Morgenrot wieder.

Die Irritationen häufen sich, plötzlich läuft die Zeit verkehrt, und damit (fast) alle Protagonisten. Nick ist der einzige, der von dem eigenartigen Phänomen nicht erfasst wird. Wie er durch die nun verkehrte Welt tappt, sich langsam das neue Gehen und Sprechen anlernt, vom Vorkoster zum Nachkoster wird, ist ein Vergnügen, das erst gegen Ende etwas schal wird. Das uneingeschränkt Beste an "Richtung Zukunft durch die Nacht" ist seine Tonspur: wie dieses wunderbar entrückte Liebespaar aneinander vorbeiredet, muss man erst einmal gehört haben. Ein akustisches Bild aufkeimender und doch totaler Entfremdung, wie es bisher kein Film gefunden hat. Schon allein dafür zahlt es sich aus, eine Stunde lang die wundersame Reise "Richtung Zukunft durch die Nacht" anzutreten.

RICHTUNG ZUKUNFT DURCH DIE NACHT

Ö 2002. Regie/Buch: Jörg Kalt. Mit Simon Schwarz, Kathrin Resetarits,

Georg Friedrich, Thomas Jonink.

Verleih: Polyfim. 60 Min.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung