Sprachlosigkeit im Winter

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Rita, ein Mädchen im Teenageralter, die wie ein Fremdkörper in ihrer Umgebung wirkt und sich in einem kommunikativen Vakuum bewegt, beendet den nicht ausgesprochenen Konflikt mit ihren Eltern, indem sie die beiden erschießt. Ein Plädoyer gegen Sprachlosigkeit, das seine Bilder zwar sorgfältig inszeniert, sich aber auf der Suche nach einer eigenen Formensprache zwischen "Nordrand" und Haneke-Filmen verstrickt und die Qualität seiner Vorbilder nicht erreicht. Ab 16.

Rita ist Teenager, sie ist Einzelkind und hat alle Probleme, die man in ihrem Alter haben kann. Nach einem fast harmonischen Familien-Abend, an dem der Geburtstag ihres Vaters gefeiert wird erschießt Rita zuerst ihren Vater, dann ihre Mutter. Dieses Erschießen geschieht so nebenbei und scheint so unverbindlich, wie Kommunikation in dieser Familie sonst auch abläuft. Wie Rita die Konsequenzen ihres Handelns nicht zu sehen scheint, so sieht man auch als Zuseher die Leichen nicht, man hört nur die Fliegen, während Rita daneben jausnet und fernsieht. In ihrer Umgebung wirkt Rita wie ein Fremdkörper: Sie ist viel größer und wirkt viel älter als ihre Schulkolleginnen und der Nachbarsbub, sie besucht eine katholische Privatschule, die eigentlich hauptsächlich von "höheren Töchtern" frequentiert wird, ihre Kleidung - wie die ihrer Eltern - ist ein unbeschreiblicher Stil-Mischmasch aus den Siebzigern und Achtzigern, der seltsam anachronistisch wirkt.

Metaphern kann man in diesem Film viele entdecken, vom trostlosen winterlichen Wald, in dem Rita herumläuft, bis zur Muschelform des Klodeckels, die sehr an die Jakobsmuschel, ein Zeichen für "Heiligkeit", erinnert. Auch Schüsse und Schusswaffen sind an vielen Stellen visuell und akustisch als Vorboten der Morde eingeflochten.

Doch trotz all dieser Sorgfalt in der Konstruktion der Bilder hinterlässt der Film einen merkwürdigen Eindruck: Es scheint, als hätte die Regisseurin auf der Suche nach einem eigenen Stil, der sich klar von herkömmlichen Erzählmustern unterscheidet, nur eine Mischung aus "Nordrand" und Haneke-Filmen gefunden, dabei aber nicht die Stringenz und Eindrücklichkeit ihrer Vorbilder erreicht. So wird ein engagiertes Thema in eine zwar nicht alltägliche, aber auch nicht neue Bildsprache verpackt.

A 2000 - Produktion: Coop 99/Prisma Film/Essential Filmproduktion - Produzent: Philippe Bober, Heinz Stussak, Antonin Svoboda - Verleih: polyfilm - Länge: 79 Min. - Regie: Jessica Hausner - Buch: Jessica Hausner - Kamera: Martin Gschlacht - Schnitt: Karin Martusch - Darsteller: Barbara Osika, Christoph Bauer, Peter Fiala, Wolfgang Kostal, Karina Brandlmayer - BBWK: ab 14

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