Labyrinth der Scheinwelten

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Jessica Hausner gehört seit ihrem Erstlingserfolg "Lovely Rita" 2001 zu den Sternen an Österreichs Filmhimmel. Zur Zeit arbeitet die 31-jährige Regisseurin an "Hotel", ihrem zweiten Spielfilm.

Das Credo von "coop99" ist eindeutig: "Unsere Filme stehen für Authentizität, persönliche Stellungnahme und individuelle Machart". Und die setzt die Wiener Produktionsfirma auch in die Tat um. Werke wie "Böse Zellen" und "Kaltfront" entstammen dem filmischen Kreativpool von vier jungen österreichischen Filmemachern. Eines der Gründungsmitglieder: Regisseurin Jessica Hausner, die neben Barbara Albert zu den erfolgreichsten heimischen Nachwuchsregisseurinnen zählt.

Dass ihre Arbeit auch international geschätzt wird, bewies die 1972 geborene Wienerin bereits vor drei Jahren. Ihr erster Spielfilm "Lovely Rita" wurde 2001 bei dem Filmfestspielen von Cannes im offiziellen Programm "Un Certain Regard" uraufgeführt - und beeindruckte sowohl Kritiker, als auch Publikum.

Schauspieler und Laien

Derzeit arbeitet Hausner gerade an ihrem zweiten Spielfilm, der spätestens im Frühjahr 2005 in die Kinos kommen soll. In "Hotel" erzählt die Filmerin, die auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, die Geschichte einer jungen Frau Anfang 20, die als Rezeptionistin in einem renommierten Berghotel an der niederösterreichisch-steirischen Grenze arbeitet, und auf das mysteriöse Verschwinden ihrer Vorgängerin aufmerksam wird.

Bei den Nachforschungen nach der verschwundenen Kollegin verstrickt sich Irene jedoch immer mehr in eine Scheinwelt aus Geheimnissen und falschen Ahnungen. Schließlich beginnt sich ihr eigenes Schicksal dramatisch mit jenem der Vorgängerin zu verweben.

Dabei handelt es sich nicht um einen Krimi, wie Hausner betont: "Der eigentliche Mittelpunkt der Geschichte ist das Geheimnis um Irene, und die verschiedenen Auffassungen von Wirklichkeit mit denen sie konfrontiert wird. Sie ist bemüht ihren Weg so gut wie möglich zu gehen, aber dann verfängt sie sich immer mehr in diesem wirren Labyrinth aus Scheinwelten und Vermutungen. Man lernt dann auch ihre dunkle Seite und die ihrer Umgebung und Mitmenschen kennen."

Im Herbst 2003 in nur zwei Monaten in Güssing und Reichenau an der Rax gedreht, spielt "Hotel" "großteils im mondänen "Alpenhotel". Neben bekannten Schauspielern - etwa Birgit Minichmayer - hat Hausner auch in ihrem neuen Werk wieder zahlreiche Laiendarsteller verpflichtet. Ein Charakteristikum, das für ihre Werke mittlerweile schon zur Trademark geworden ist. So überraschte die bis dahin unbekannte Hauptdarstellerin Barbara Osika in "Lovely Rita" als schauspielerisches Naturtalent.

Hausner hat ihr Handwerk freilich klassisch erlernt: Nach einem Regie-Studium an der Universität für Musik und darstellende Kunst drehte sie 1996 mit "Flora" ihren ersten Kurzfilm. Drei Jahre später folgte "Inter-View", ihr 48-minütiger Abschlussfilm an der Akademie, der auf der Cinèfondation in Cannes ausgezeichnet wurde. 2001 schließlich kam mit "Lovely Rita" der große Durchbruch.

Das Sittenporträt einer kleinbürgerlichen und von Konventionen geprägten Welt aus der Sicht einer 14-Jährigen, die durch die Ermordung ihrer Eltern den Rahmen sprengt, zeichnet sich durch seine dokumentarisch anmutende Radikalität aus. In ihrer Arbeit unterzieht Hausner sowohl ihre Filme immer wieder einer strengen Stilisierung, deren Ästhetik vor allem den Regeln von Reduktion und Langsamkeit gehorcht. Ihre Protagonisten werden mit einer beinahe kühlen Distanz porträtiert, wobei auch immer einen Blick auf die Gesellschaft, in der sie agieren, geworfen wird.

Direkte Parallelen zwischen ihren beiden Spielfilmen kann Jessica Hausner allerdings nicht feststellen: "Die beiden Filme gehorchen einer etwas anderen optischen Ästhetik. Lovely Rita' spielt im kleinbürgerlichen, etwas schmuddeligen Milieu, in dem aber permanent Tabus gebrochen werden. Hotel' hingegen hat mit seiner noblen Atmosphäre eine hübsche Glattheit, die sowohl im Bild, als auch im Ton augenscheinlich wird. Wir haben auf 35 Millimeter gedreht und schon dadurch eine andere Optik erreicht. Außerdem sind die Leute besser angezogen und hübscher, als in Lovely Rita'."

Die Inspiration zu ihrem zweiten Spielfilm hat Hausner durch ein Erlebnis der makaberen Art bekommen: Vor einigen Jahren meldete sich per Telefon ein Unbekannter, der drohte, sie umzubringen. Nach einem kurzen Schockmoment dachte die Regisseurin jedoch schon wieder an eine Verarbeitung des Erlebten: "Mich hat interessiert, wie Menschen mit solchen Situationen, in denen ihr Leben bedroht wird, umgehen. In den meisten Filmen sind die Hauptdarsteller immer tough und handeln klar und wohl kalkuliert, obwohl sie wissen, dass sie in wenigen Stunden tot sein können. Doch die Realität sieht anders aus. Man überlegt, was man in den letzten Stunden seines Lebens tun soll und vergeudet diese Stunden dann doch nur mit Angst vor dem Ungewissen. Zuerst wollte ich ja eigentlich nur einen Kurzfilm drehen, aber dann hab ich mir gedacht, dass der Stoff doch mehr hergibt - und dann hab ich im Sommer 2002 das Drehbuch geschrieben."

Befragt nach dem Erwartungsdruck nach dem großen Erfolg ihres Erstlingswerkes, gibt sich die Regisseurin gelassen. "Für mich zählt in erster Linie die Arbeit am Film - und, dass ich es so gut wie möglich mache. Druck von außen gibt es doch eigentlich bei jedem Film. Bei der ersten Arbeit traut einem keiner was zu und alle schauen einen schief an. Beim zweiten Werk erwarten dann alle, dass es so gut wird wie das erste."

Erfolgsstory "coop99"

Nicht zuletzt um von derartigen Erwartungen kreativ und produktionstechnisch unabhängig zu sein, hat Hausner 1999 gemeinsam mit ihren Regie- und Autorenkollegen Barbara Albert und Antonin Svoboda, sowie dem Kameramann und Produzenten Martin Gschlacht eine eigene Produktionsfirma gegründet. Mit großem Erfolg, wie die Filmografie von "coop99" beweist. So sind unter anderem Werke wie "Böse Zellen" (Barabara Albert, 2003), "Kaltfront" (Valentin Hitz, 2003) und eben "Lovely Rita" aus der Kreativwerkstatt der vier jungen Künstler hervorgegangen.

Das Vorurteil, dass hierzulande der Arbeit als junger Filmerin nur allzu oft Steine in den Weg gelegt werden, kann Hausner nicht bestätigen. Den Unterschied zwischen der filmischen Arbeit von Männern und Frauen sieht sie aber durchaus: "Man darf das natürlich nicht verallgemeinern, aber es ist nach wie vor so, dass Männer etwa bei Filmfestivals wesentlich stärker vertreten sind, als Frauen. Film ist nun einmal von Männern dominiert - vor allem im Bezug auf die Bildsprache und Erzählweise. Männer erzählen Filme mit einer viel stärken Stringenz und Offensichtlichkeit als Frauen das tun. Ich glaube, dass wir Geschichten anders erzählen - viel verwobener und unterschwelliger. Es geht viel öfter um die Tatsache, dass man nicht alles erklären kann, und dass in einem einzigen kurzen Moment plötzlich alles möglich sein kann."

INFOS: www.coop99.at

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