Teenager, die Gräber schaufeln

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THE HOLE - The Hole

Die vier Teenager Liz, Frankie, Geoff und Mike ziehen sich von den strengen Regeln ihrer Privatschule unter ungeklärten Umständen in einen Bunker zurück und nur Liz kommt lebend wieder hinaus. Die Psychologin Philippa versucht dem traumatisierten Mädchen die Wahrheit zu entlocken. In Rückblenden und zunächst auf eine falsche Fährte geleitet entwickelt sich ein düsteres Tableau vom durchaus realistisch gezeichneten Überleben und Sterben und - vor allem - von der Logik eines scheuen aber bedingungslosen Begehrens: ein überraschendes und überzeugend stringent gehaltenes Thema für einen Film, der seine Anleihen im Horrorgenre macht. Ab 14.

Das Ambiente gibt vor, sich auf einen Teenage-Slasher-Horror zu reimen: Eine neugotische Lehranstalt, Brabourne School, für Kinder reicher Leute in England. Ein Mädchen, Liz (Thora Birch), erreicht nach zweiwöchiger Abwesenheit mit ihren letzten Kräften das öffentliche Telefon der Schule, schreit in den Hörer und bricht zusammen. Eine Psychologin, Philippa Horwood (Embeth Davidtz), versucht der traumatisierten Schülerin zu entlocken, was geschehen ist. Auf der Schule, in Rückblenden, die üblichen Verdächtigen: Frankie (Keira Knighltey), schlanke Blondine mit langen Beinen. Geoff (Laurence Fox), gestählte Muskeln mit Loyalität und Aggressivität gepaart - einer, den man zum Freund hat und mit dem man sich nicht anlegen kann. Martin (Daniel Brocklebank), brillanter Kopf bei schmächtigem, gar unattraktivem Körperbau und unerwidert in Liz verknallt. Mike (Desmond Harrington), der unerreicht schöne Mann der Schule, Sohn eines amerikanischen Rockmusikers, kühl, entspannt und arrogant. Liz kämpft mit den wenigen Mitteln eines introvertierten, unscheinbaren und längst nicht zur ostentativ präsentierten Weiblichkeit fähigen Mädchens um Mikes Aufmerksamkeit.

Von der ersten Version von Liz' Geschichte sagt Dr. Horwood, das Mädchen würde denken, ein Wochenende in "fucking Disneyland" verbracht zu haben. Martin - und das ist die erste, sehr fein gezeichnete Überraschung des Films - gibt mitnichten aufgrund der Rolle, die er in der Schule zu spielen hat, sein Selbstbewusstsein auf und bedeutet Liz, dass er ihr helfen könne, in der Nähe Mikes zu gelangen. Für drei Tage lassen sich Liz, Frankie, Geoff und Mike auf Martins Angebot ein, von ihm gedeckt und gänzlich unerkannt in einem Bunker alles tun zu können, was Teenagern von ihren Erziehungsberechtigten versagt wird. Nach drei Tagen schließt Martin nicht auf. Liz ahnt Martins Plan, sie mit Mike so lange eingeschlossen zu halten, bis sie dessen Schwächen sieht und ihre Schwärmerei ein Ende hat. Für Martins Mikros im Bunker spielen die vier eine Szene der Zerrüttung und kommen am nächsten Morgen raus. In Wahrheit ist Liz die einzige Überlebende einer Tortur von fehlendem Licht und fehlendem Wasser.

So weit funktioniert der Film als pychologisches Kammerspiel in dem engen Rahmen des Genres. Es folgt eine zweite Version der Tage und Nächte im Bunker, dunkler und schmutziger und erstaunlicherweise auch mit einer guten Portion nüchternem Realismus gezeichnet. Dass es keine messerschwingenden Psychopathen geben wird, war schnell klar, dass der Horror einer eingeschlossenen Gesellschaft entspringen wird, auch. Bemerkenswert ist aber, wie wenig "The Hole" selbst die Muster bedient, auf die er baut: keine kranke Psyche an nasskalte Wänden projiziert, keine überdramatisierte Zerfleischung unter Gleichen, aber Verwesung und Geduld, und eine innere Logik, entrückt und dennoch real.

Man wird eine Auflösung erhalten und wartet doch nicht darauf. Dass sich Liz und mit ihr der Zuschauer der Wahrheit nähert schafft keine Spannung. Der Ekel, mit dem der Film rechnet, lässt einen - und das ist der Produktion anzurechnen, die auf etwas anderes zielt - kalt. Selbst die Psychologie, der die Logik entstammt, tritt in den Hintergrund vor der Formelhaftigkeit des Gedankens: Liz will Mike, im Guten, und kann ihn im Guten nicht haben. Also nimmt sie, was Mike bietet, unter den einzigen Bedingungen, unter denen er ihr etwas zu geben hat. Von der Story wird es heißen, dass nur Teenager, die zwischen Wunsch und Realität Gräber schaufeln, ihre Protagonisten sein können. Aber etwas in der von Thora Birch sehr vorsichtig gezeichneten Figur könnte in jedem sein.

GB 2001. Produktion: Cowboy Films, Granada - Produzent: Lia Bryler, Jeremy Bolt, Pippa Cross - Verleih: Tobis - Länge: 102 Min. - Regie: Nick Hamm - Buch: Ben Court, Caroline Ip nach Novelle von Guy Burt - Kamera: Denis Crossan - Schnitt: Niven Howie - Musik: Clint Mansell - Darsteller: Thora Birch, Desmond Harrington, Daniel Brocklebank, Laurence Fox, Keira Knightley, Embeth Davidtz - BBWK: noch offen - Prädikat: noch offen

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